Brasilien: Zustimmung zu Bolsonaro sinkt, Demonstranten fordern seinen Rücktritt

Landesweite Proteste gegen die Umwelt- und Agrarpolitik Bolsonaros. Regierung lehnt Soforthilfe der G7 zur Brandbekämpfung ab

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Demonstranten fordern den Rücktritt von Brasiliens Präsident Bolsonaro, wie hier in Manaus
Demonstranten fordern den Rücktritt von Brasiliens Präsident Bolsonaro, wie hier in Manaus

Brasilia et al. Nachdem die brasilianische Regierung heftige Kritik für ihren zögerlichen Kampf gegen die verheerenden Feuer im Amazonasgebiet eingesteckt hat, greift nun seit drei Tagen das Militär ein. Sieben Bundesstaaten hatten um die Unterstützung der Streitkräfte gebeten: Rondônia, Roraima, Pará, Tocantins, Amazonas, Acre und Mato Grosso. Mehr als 43.000 Soldaten stünden nun zur Brandbekämpfung zur Verfügung, sagte Verteidigungsminister Fernando Azevedo e Silva. Sie sollen konkret bei Löscharbeiten helfen und die Verfolgung der Verantwortlichen für die Brände unterstützen. Die Bundespolizei will kriminelle Motive von Brandstiftern im Amazonasgebiet untersuchen.

Unterdessen wurden laut Medienberichten mehr als 70 Personen identifiziert, die sich über eine Gruppe im Instant-Messaging-Dienst Whatsapp für den 10. August im Bundesstaat Pará zu einem "Tag des Feuers" verabredet haben, um an vielen Orten gleichzeitig Brände zu legen. Damit hätten sie ihre Unterstützung für die "Lockerungen" der Umweltpolitik durch den ultrarechten Präsidenten Jair Bolsonaro signalisieren wollen. Festgenommen wurde bislang niemand.

In über 50 brasilianischen Städten, darunter Salvador und Brasília, São Paulo und Rio de Janeiro, fanden am Wochenende große Demonstrationen unter dem Motto "SOS Amazônia" gegen Bolsonaro und seinen umstrittenen Umweltminister Ricardo Salles statt.

Wütend wurde beider Rücktritt gefordert. Bolsonaro wird vorgeworfen, mit seiner Rhetorik seit Amtsantritt im Januar 2019 die Entwaldung im Amazonasgebiet stimuliert zu haben. Er ermutigte immer wieder die Agrarlobby und Bergbaufirmen ihre Interessen zu verfolgen, um dem Land einen Wirtschaftsaufschwung zu ermöglichen. Salles habe die Entwaldung mit der Annullierung von Umwelt-Strafen und der Schwächung von Garantien für geschützte Waldgebiete systematisch erleichtert, so die Kritik. Von Januar bis August dieses Jahres sollen die Strafzahlungen für Umweltdelikte um 29 Prozent zurückgegangen sein. Gelder zur Dokumentation von Brandherden und für den Kampf gegen Waldbrände sind unter dem aktuellen Minister gekürzt und teilweise ganz blockiert worden, berichtet am Montag die renommierte Tageszeitung Folha de São Paulo.

"Brandrodung gab es immer, aber sie ist nie von den Worten eines Präsidenten angeheizt worden", beklagte die Umweltschützerin Marina Silva in einem Interview für die BBC News Brasil. Die langjährige Umweltministerin unter der Linksregierung von Luiz Inácio "Lula" da Silva sagte weiter: "In zehn Jahren habe ich es geschafft mit einer Politik für die Umwelt die Waldvernichtung um 83 Prozent zu reduzieren. Es ist sehr traurig, dies alles zu Asche zerfallen zu sehen: Der Wald, die Artenvielfalt, die Umweltbehörden, die Teams. Und dann noch zu sehen, wie die Regierung diejenigen beschuldigt, die ihr ganzes Leben dafür gekämpft haben, die Amazonasregion zu schützen." Damit spielt sie auf den von Bolsonaro öffentlich geäußerten Verdacht an, Nichtregierungsorganisationen hätten aus Rache Brände gelegt, weil seine Regierung ihnen Gelder gekürzt hat.

Die von der Gruppe der 7 (Deutschland, Frankreich, Großbritannien, Italien, Japan, Kanada und die USA, G7) als Soforthilfe zur Bekämpfung der Brände im Amazonasgebiet zur Verfügung gestellten 20 Millionen US-Dollar wurden indes von der brasilianischen Regierung zurückgewiesen. Umweltminister Salles hatte sie zunächst begrüßt, jedoch betont, sein Land werde über die Verwendung der Gelder selbst entscheiden. Bolsonaros Kabinettschef Onyx Lorenzoni erklärte nun am Montag, man schätze das Angebot, aber die Mittel sollten "vielleicht besser für die Wiederaufforstung Europas" eingesetzt werden. Das Präsidentenbüro bestätigte die Ablehnung und versicherte, dass die Situation "unter Kontrolle" sei. Bolsonaro hatte den G7-Vorstoß zuvor als Einmischung in die inneren Angelegenheiten Brasiliens bezeichnet und dem französischen Präsidenten Emanuel Macron vorgeworfen, das Land zu behandeln, "als wären wir eine Kolonie oder ein Niemandsland".

Die Zustimmung für Bolsonaro und seine Regierung ist derweil von 38,9 Prozent im Februar auf eine Rate von 29,4 Prozent im August gefallen, berichteten brasilianische Medien am Montag.