Regierung in Argentinien schränkt Devisenverkehr ein

Präsident Macri geht mit Dekret gegen Kapitalflucht vor. Soziale Bewegungen beklagen Lebensmittelengpass und fordern Anpassung der Löhne

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Argentinischer Peso und US-Dollar: Das Spannungsverhältnis konnte auch Macri nicht lösen
Argentinischer Peso und US-Dollar: Das Spannungsverhältnis konnte auch Macri nicht lösen

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Soziale Bewegungen in Argentinien rufen zu Protesten gegen Macris Wirtschaftspolitik auf
Soziale Bewegungen in Argentinien rufen zu Protesten gegen Macris Wirtschaftspolitik auf

Buenos Aires. Die argentinische Regierung hat die Bevölkerung vor wenigen Tagen mit dem Dekret 609/2019 über Einschränkungen beim Devisenverkehr informiert. Demnach können Privatpersonen ab sofort nicht mehr als 10.000 US-Dollar pro Monat eintauschen, höhere Beträge müssen von der Zentralbank autorisiert werden. Käufe bis 1.000 US-Dollar können über Wechselstuben vorgenommen werden, alle weiteren nur über Bankfilialen oder Homebanking. Das gleiche Limit gilt für Überweisungen ins Ausland. Unternehmen dürfen ohne die Erlaubnis der Zentralbank keine US-Dollars mehr für Liquiditätsreserven einkaufen. Importe und Schuldenbegleich sind von der Maßnahme nicht betroffen.

Exporteure müssen ab sofort ihre eingenommenen Divisen früher in Pesos umtauschen – innerhalb von fünf Werktagen nach Auszahlung oder 180 Tage nach Verladungserlaubnis. Für den Export gelten 15 Tage. Bisher gab es unter dem amtierenden Präsidenten Mauricio Macri dazu keine Grenzen. Nach Angaben der Tageszeitung La Nación hielten Exporteure die Schritte mehrheitlich für "vernünftig". "Diese Maßnahmen haben das zentrale Ziel, Stabilität zu erreichen", sagte Wirtschaftsminister Hernán Lacunza.

Am Montag kam dennoch zu einem Sturm auf die Banken, lange Schlangen bildeten sich vor den Filialen, Menschen wollten Erspartes abheben, Anlagen konnten kurzfristig nicht ausgezahlt werden.

Die Maßnahme zur Devisenkontrolle, in Argentinien "Cepo" genannt, erinnert an die Währungspolitik unter der Regierung Cristina Kirchner (2007-2015). Damals kam der Devisenverkauf zeitweilig vollständig zum Erliegen, für Kartenzahlungen im Ausland mussten argentinische Touristen bis zu 35 Prozent Gebühren bezahlen. Macri hatte im Jahr 2015 die Wahlen gewonnen, auch mit dem Versprechen, den "Cepo" abzuschaffen. Am 1. März 2016 hatte er dazu getwittert: "Wir haben den Cepo aufgehoben und all die Einschränkungen beim Wechselgeschäft, ohne dass irgendein prognostiziertes Unheil eintritt."

Der argentinische Ökonom Julio Gambina hält die Maßnahmen der Regierung für widersprüchlich: "Es handelt sich um eine Entscheidung, die ziemlich spät gefällt wurde und die genau in die Gegenrichtung der traditionellen Ideologie und Politik geht", erklärte er in einem Interview mit der Radiostation der staatlichen Universität UNCuy. Die Regierung habe bisher immer auf eine liberale Wirtschaftspolitik abgezielt. Mit der Maßnahme wolle man ohne weitere Schrecken bis zu den Wahlen Ende Oktober kommen. "Das sind Notfallmaßnahmen, die grundsätzliche Themen wie Preise, Inflation oder die Erholung der Wirtschaft nicht lösen", so Gambina.

Am Dienstag kam es im ganzen Land zu Protesten. In Buenos Aires marschierten die Demonstrierenden bis vor das Ministerium für Soziale Entwicklung und den Kongress. Sie beklagten vor dem Hintergrund der steigenden Preise fehlende Lebensmittel in Schulmensen und Suppenküchen. Soziale Organisationen wie die Frente Popular Darío Santillán, Barrios de Pie und MTD Aníba Verón forderten die Anpassung der Löhne um 10.000 Pesos (rund 160 Euro) und neue Arbeitsprogramme.

Wer kann, spart in Argentinien in US-Dollar. Wer nicht sparen kann, merkt den Währungsverfall noch deutlicher, denn Löhne steigen erst mehrere Wochen nach der radikalen Abwertung und laufen der Inflation hinterher. Ende August hatte die Regierung den Mindestlohn erhöht, er soll für eine 48-Stundenwoche bis 1. Oktober von 12.500 auf 16.875 Pesos (umgerechnet 273 Euro) steigen. "Die aktuelle Krise und ihr unklarer Ausgang stellt uns vor einen Scheideweg, auf dem wir Tag für Tag verarmen und uns mehr verschulden", erklärten die Organisationen.

Der Verbund der Staatsbeschäftigten (ATE) hat für den 10. September zum Nationalstreik aufgerufen.