Brasiliens Umweltminister wollte in Berlin zur Handelskammer. Dann kam alles anders

Treffen von Bolsonaro-Minister Salles mit BASF, Bayer und VW behindert. Greenpeace blockiert Zugang zu Industrie- und Handelskammer

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50 Klimaschützer von Greenpeace blockierten am Montagmorgen den Zugang zur Industrie- und Handelskammer in Berlin
50 Klimaschützer von Greenpeace blockierten am Montagmorgen den Zugang zur Industrie- und Handelskammer in Berlin

Berlin. Der brasilianische Umweltminister Ricardo Salles ist bei seinem Besuch in Berlin auf teils erheblichen Widerstand gestoßen. Eine Blockade der Umweltorganisation Greenpeace vor der Industrie- und Handelskammer (IHK) und der angemeldete Protest brasilianischer Aktivistinnen von der Gruppe Gira verhinderten ein Treffen Salles‘ mit Vertretern deutscher Konzerne am gestrigen Montag. Rund 50 Umweltschützer hatten sich zuvor am Eingang angekettet und einen verkohlten, sechs Meter langen Tropenholzstamm aus dem Amazonas vor das Gebäude gerollt. Gleichzeitig lag in unmittelbarer Nähe das Greenpeace-Aktionsschiff "Beluga 2" auf der Spree.

Das Treffen zwischen Salles und Vertretern von BASF, Bayer, VW und anderen musste an einen unbekannten Ort verlegt werden. Auch in der Botschaft fand es aus Furcht vor Protesten nicht statt. Zuvor hatte das Investigativ-Portal "The Intercept" die Agenda des Umweltministers veröffentlicht. Demnach standen Treffen mit den deutschen Ministern für Zusammenarbeit, Gerd Müller (CSU), und Umwelt, Svenja Schulze (SPD), auf der Tagesordnung.

Der brasilianische Minister befindet sich seit Tagen auf Tour durch die USA und Europa, wo er nach den Amazonas-Bränden die Wogen glätten will. Im Vorfeld ließ er etwas Selbstkritik anklingen. Demnach hat Brasilien gar kein Problem mit Brandrodungen. Vielmehr habe die Regierung Fehler in der Kommunikation begangen. "Brasilien hat es nicht verstanden, sich selbst als Vorreiter im Umweltschutz darzustellen", so Salles gegenüber der Nachrichtenseite Globo. Dabei hat Salles in der Vergangenheit keinen Hehl daraus gemacht, dass er Umweltschutz als ein Entwicklungshindernis betrachtet und die Regenwaldregion für ökonomische Interessen erschließen will. Die Klimaschutzdebatte bezeichneteer kürzlich als "effekthascherisch". Zudem wurde bekannt, dass Salles die Mittel der Umweltbehörde Ibama zur Feuerbekämpfung um 30 Prozent gekürzt hat. Die unzureichende Ausstattung der Ibama war einer der Gründe, wegen derer die Brände anfangs nicht eingedämmt werden konnten.

In Paris und Berlin will er nun für das umstrittene Freihandelsabkommen zwischen der EU und dem südamerikanischen Wirtschaftsbündnis Mercosur (Argentinien, Brasilien, Paraguay, Uruguay) werben. Das Abkommen soll der brasilianischen Rindfleisch-Industrie den Zugang zum europäischen Markt erleichtern. Im Gegenzug werden die Zölle für Autos und Autoteile aus der EU aufgehoben. Deutschland ist in dem Bereich mit Verkäufen von über 2,1 Milliarden Euro in 2018 der größte Exporteur innerhalb der EU in die Mercosur-Staaten.

"Beide Wirtschaftszweige zerstören das Klima. In Brasilien brennt der Urwald für mehr Rinderweiden und in Deutschland sucht eine veraltete Autoindustrie nach neuen Absatzmärkten für ihre CO2-Schleudern", sagte Jürgen Knirsch, Handelsexperte von Greenpeace. Die Greenpeace-Aktivisten forderten, Wald- und Klimaschutz nicht den Wirtschaftsinteressen zu opfern und den Amazonas-Urwald nicht für Soja-Plantagen und Viehzucht zu roden. Das geplante Mercosur-Abkommen sollte ausgesetzt werden, so Greenpeace.

Die Umweltaktivistin Marina Dias von der Gruppe Gira verwies gegenüber amerika21 darauf, dass die Zerstörung des Amazonas nicht nur eines der wertvollsten Biome vernichte, sondern auch ganze Kulturen und Leben. "Im Fokus der zerstörerischen Politik der Regierung Bolsonaro stehen Indigene, die afrostämmigen Gemeinden der Quilombolas und Kleinbauern. Die Regierung betrachtet diese als Entwicklungshemmnis. Mit ihnen verschwindet ein kultureller Reichtum der Menschheit, nicht nur Brasiliens", so Dias. Salles selbst sei ein "Umweltverbrecher". In der Vergangenheit habe er mehrfach gegen Naturschutzregelungen verstoßen.