Kolumbien streikt weiter und trauert um Dilan Cruz

Jugendlicher stirbt nach Einsatz von Spezialeinheit zur Aufstandsbekämpfung. Präsident Duque startet Dialog - mit "ausgewählten Bürgermeistern"

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Am 25. November bezog sich der Streik auch auf den Internationalen Tag gegen Gewalt gegen Frauen
Am 25. November bezog sich der Streik auch auf den Internationalen Tag gegen Gewalt gegen Frauen

Bogotá. Die Proteste in Kolumbien halten an. Auch an Tag fünf des Nationalstreiks, der am 21. November 2019 begann, gingen zahlreiche Kolumbianer auf die Straße, um friedlich gegen die Pläne der Regierung und die Politik von Präsident Iván Duque zu protestieren.

Am gestrigen "Internationalen Tag gegen die Gewalt an Frauen" standen insbesondere die Frauen im Zentrum der Aufmerksamkeit der Proteste. Eine große Demonstration ging in Bogotá vom Parque Nacional durch die Stadt bis zur Plaza de la Hoja, auf der sich die Demonstrierenden unter einem großen lila Banner mit Venussymbol und Faust – Symbolbild für den Feminismus – bis in die Abendstunden versammelten.

Auch in Medellin, Cali und weiteren Städten Kolumbiens waren erneut Tausende Menschen mit Fackeln oder für Cacerolazos – Protestaktionen, bei denen auf leere Töpfe geschlagen wird – auf den Straßen.

Die zunächst fröhliche Stimmung des weiteren erfolgreichen Streiktags wurde durch eine traurige Nachricht überschattet. Am Abend des 25. November starb Dilan Cruz nach drei Tagen auf der Intensivstation des Krankenhauses San Ignacio. Der 18-jährige Schüler wurde am vergangenen Samstag bei friedlichen Protesten im Zentrum Bogotás von einem Mitglied der Spezialeinheit zur Aufstandsbekämpfung Esmad durch ein abgefeuertes Projektil schwer am Kopf verletzt. Gestern hätte er sein Zeugnis zum Schulabschluss erhalten. Sein Wunsch war es, ein Hochschulstudium zu beginnen. Dafür hätte er jedoch einen Kredit beim Bildungskreditgeber ICETEX aufnehmen müssen – einer der Protestgründe von Studierenden. Der verantwortliche Polizist wurde suspendiert, die Ermittlungen in dem Fall laufen jedoch weiter.

Am Samstagnachmittag versammelten sich vor dem Verwaltungszentrum (CAN) in Bogotá Freunde und Verwandte von Polizisten, um der Polizei ihre Unterstützung zu demonstrieren. Die Polizei und insbesondere die Esmad war stark in die Kritik geraten, nachdem durch privat gefilmte Videos die Ausmaße und Unverhältnismäßigkeit der von dieser Seite angewendeten Gewalt bekannt geworden waren. Der Tod von Dilan Cruz beweist dies erneut. Mit Cruz ist es der vierte, von offizieller Stelle bestätigte Tote im Rahmen der Proteste. Ein Versuch der Kritik entgegenzuwirken, war die Begleitung der montäglichen Demonstration in Bogotá durch Polizistinnen. Um kurz vor zehn Uhr abends jedoch tauchte, trotz friedlichem Verlaufs der Versammlung, auf der Plaza de la Hoja die Esmad auf. Die Demonstranten begrüßten sie mit Pfiffen und Rufen. Es blieb trotz Präsenz der Einheit dieses Mal friedlich.

Unterdessen begann Präsident Iván Duque den Dialog, den er in einer Ansprache vor wenigen Tagen angekündigt hatte. Am Sonntag traf er sich mit den ausgewählten Bürgermeistern. Für den 26. November war ein Treffen mit den Organisatoren des Streiks geplant. Außerdem unterzeichnete Duque ein Dekret zur Gründung der "Sociedad Bicentenario", einer staatlichen Finanzholding. Aus Sicht der Arbeitergewerkschaften "beseitigt diese Gründung die direkte Kontrolle des Staates über die Gelder staatlicher Finanzunternehmen" und wird zu einem "Arbeitsplatzmassaker" bei den entsprechenden Institutionen führen. Durch die Regierung ausgewiesen wurden inzwischen 60 Venezolaner und ein Peruaner. Laut dem Direktor der kolumbianischen Migrationsbehörde hätten diese "die Sicherheit und Ordnung beeinträchtigt, weil sie bei Demonstrationen Vandalismusakte verübten".

Auch im Kongress begann der Dialog über die Ausschreitungen der letzten Tage. Begleitet wurde er von durch Abgeordnete ermöglichte Cacerolazos im Repräsentantenhaus. Während die Opposition Amtmissbräuche und Exzesse von Esmad und Polizei verurteilte, beschuldigte die Regierungspartei linke Anführer, zu Gewalt aufzurufen und diese anzustacheln.