"El paro sigue": Landesweiter Streik in Kolumbien wird weitergeführt

Unterstützung für den Streik wächst. Indigene Gemeinden schließen sich an. Streikkomitee bricht die Verhandlungen mit der Regierung ab

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Demonstration in Medellín am Dienstag. Der landesweite Streik geht weiter und findet zunehmend Unterstützung
Demonstration in Medellín am Dienstag. Der landesweite Streik geht weiter und findet zunehmend Unterstützung

Bogotá. Seit über einer Woche besteht der Alltag vieler Kolumbianer aus täglichen Demonstrationen, den Cacerolazos genannten Lärmprotesten und Kundgebungen. Eine Ende ist derzeit nicht in Sicht ‒ im Gegenteil: die Unterstützung wächst.

Für den 27. November hatte das Nationale Streikkomitee (Comité Nacional del Paro) erneut zu landesweiten Demonstrationen aufgerufen, um damit dem wenige Tage zuvor gestorbenen Schüler Dilan Cruz zu gedenken.

Ein weiterer Grund für die erneute Mobilisierung war die Ernüchterung nach dem Beginn des von Präsident Iván Duque angekündigten "Nationalen Dialogs" am Tag zuvor. Nach etwa drei Stunden verließen die Organisatoren des Streiks den Verhandlungstisch. Sie lehnten den Vorschlag von Duque ab, einen erweiterten Dialog mit Vertretern von staatlichen Institutionen wie dem Leiter der Kontrollbehörde (Procurador General), Fernando Carrillo, und  Generalstaatsanwalt Fabio Espitia sowie Mitgliedern kleiner und mittlerer Unternehmensverbände zu führen. Dazu erklärte Diogenes Orjuela, Präsident der Zentraleinheit der Arbeiter (CUT): "Wir haben dem Präsidenten klar gemacht, dass wir beabsichtigen, diese Punkte direkt zwischen dem Komitee und der Regierung mit Hilfe der zu definierenden Mechanismen zu diskutieren, und hoffen, dass die Regierung diese bekannt machen wird".

Im Anschluss an die Sitzung veröffentlichte das Komitee ein Dokument mit 13 Forderungen. Diese sollten mit dem Präsidenten persönlich behandelt werden. Die Forderungen beinhalten unter anderem die Aufhebung des Dekrets zur Gründung der "Sociedad Bicentenario", einer staatlichen Finanzholding, das Zurückziehen der Pläne für eine Rentenreform und eine sofortige Auflösung der Spezialeinheit zur Aufstandsbekämpfung, Esmad.

Bezugnehmend auf die Forderung zur Auflösung der Esmad sagte der Präsident am 27. November in einem Radiointerview mit W Radio: "Es gibt mehr als 100 Länder auf der Welt, die diese Spezialeinheiten haben, diese sind dazu da, Menschen zu schützen. Die Esmad ist Teil der öffentlichen Streitkräfte im Dienste der Kolumbianer, sie kann nicht aufgelöst werden". Das Thema gewann an stärkerer Relevanz, da die Gerichtsmedizin nach der Autopsie, deren Ergebnisse am Donnerstag veröffentlicht wurden, die Todesursache von Dilan Cruz als "Mord oder gewaltsamen Tod" einstuft. Auch die Vereinten Nationen hatten über eine in den sozialen Netzwerken veröffentlichten Botschaft um die Aufklärung gebeten. Darin hieß es: "Wir bitten darum, dass die Verantwortlichkeiten für den Tod von Dilan Cruz durch die Staatsanwaltschaft geklärt werden. Es sollte keine Straffreiheit geben". Auch Human Rights Watch forderte öffentlich ein Untersuchungsverfahren.

Indes finden in der Stadt täglich Demonstrationen und Veranstaltungen statt. Im Rahmen der Demonstration am 27. November versammelten sich über 300 Musikerinnen und Musiker im "Parque de los Hippies" für einen sinfonischen Cacerolazo. Dirigent Guerassim Voronkov, auch Professor an der Nationaluniversität in Bogotá, erklärte dazu: "Musiker sind manchmal ein bisschen Einsiedler. Wir bleiben in unseren Klassenzimmern und üben und lernen. Heute halten wir es für wichtig zu sagen, dass Musik Stille braucht, um gehört zu werden. Heute ist die Botschaft, dass wir lernen zuzuhören, nicht einander gegenüberzustehen, sondern in Frieden zu sprechen".

Am Freitagnachmittag traf auch die "Guardia Indigena" (Indigene Wache) in Bogotá ein. Delegationen indigener Gemeinden aus verschiedenen Landesteilen reisten an, um sich den Protesten anzuschließen. Vertreter des Regionalen Rates der Indigenen im Cauca (CRIC) erklärten, die politische Zusammenarbeit mit den anderen am Streik beteiligten Organisationen solle gestärkt und eine gemeinsame Agenda entwickelt werden. Die Forderungen der Indigenen beziehen sich insbesondere auf ihren Schutz, da seit Amtsantritt Duques 134 Indigene ermordet wurden. Ihre Kritik: Duque hatte zu einem Nationalen Gespräch eingeladen, sich aber nicht auf ihre Forderungen bezogen.