Kolumbien: Wie die Allianz von Paramilitärs und Konzernen funktioniert

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Viele Unternehmen sollen von dem Terror der Paramilitärs profitiert haben
Viele Unternehmen sollen von dem Terror der Paramilitärs profitiert haben

Bogotá. Führende soziale Aktivisten stehen in Kolumbien dem ungehemmten Wachstum vieler Unternehmen im Weg. Um ihre wirtschaftlichen Interessen durchzusetzen, entledigen diese sich der Aktivisten mithilfe von Paramilitärs. Dass diese Verbindung eine lange Tradition hat, zeigt eine Datenbank der Forschungsgruppe "Staat, Konflikte und Frieden" der Fakultät für Politikwissenschaft und Internationale Beziehungen an der Universität Javeriana in Bogotá. Darin werden Unternehmen aufgeführt, die mutmaßlich mit paramilitärischen Gruppen zusammengearbeitet haben. Viele der Vorwürfe wurden im Rahmen von Gerichtsprozessen geäußert. Die Verantwortlichkeit der Unternehmen und die kriminellen Handlungen wurden zwar nicht in allen Fällen gerichtsfest nachgewiesen. Die Aussagen stammen aber größtenteils von ehemaligen Paramilitärs selbst. Hier einige Beispiele:

Das kolumbianische Getränkeunternehmen Postobón lieferte im Departamento Cesar jeden Monat 15 Kisten Limonade an die paramilitärische Gruppe "Peinado Becerra". Dies bestätigte der Ex-Finanzchef der Organisation, Armando Madriaga Picón. Der ehemalige paramilitärische Kommandeur Jorge Iván Laverde Zapata behauptete außerdem, dass Postobón im Departamento Norte de Santander den Paramilitärs Geldbeträge habe zukommen lassen. Als Gegenleistung hätten die Milizen für "Sicherheit" gesorgt.

Der berüchtigte Paramilitär-Chef Salvatore Mancuso wies darauf hin, dass das Energieunternehmen Ecopetrol den Paramilitärs im Departamento Santander zwischen zwei und fünf Prozent des Volumens vergebener Aufträge zahlte. Die Zahlungen, so der Ex-Paramilitär weiter, wurden in bar oder in monatlichen Raten geleistet. Bisweilen seien die Zuwendungen auch durch die Bereitstellung von Grundbedarfsgütern erbracht worden. Ebenso habe Ecopetrol im Departamento Norte de Santander als Gegenleistung für Sicherheit freiwillige Geldzahlungen an den inzwischen aufgelösten paramilitärischen Dachverband Vereinigte Selbstverteidigungskräfte Kolumbiens (Autodefensas Unidas de Colombia, AUC) vorgenommen. In diesem Gebiet, in dem der teilprivatisierte Energiekonzern präsent war, kam es zu mehreren Morden im Rahmen sogenannter sozialer Säuberungen. Ecopetrol sei sogar Teil der paramilitärischen Organisation "Bloque Catatumbo" gewesen, und das Unternehmen habe verbrecherische Handlungen mitorganisiert, so Mancuso.

Auch die Nationale Föderation der Viehzüchter, Fedegan, hatte sich nach seinen Informationen aktiv in die Struktur des "Bloque Catatumbo" eingebracht, sodass Fedegan schließlich sogar Befehls- und Kontrollgewalt innegehabt habe.

Der Fernsehsender RCN Televisión und andere Medien, wie zum Beispiel Caracol, hätten den Aktionen der Paramilitärs unkritisch gegenübergestanden, so Mancuso weiter. So habe der Sender Interviews veröffentlicht, in denen der ranghohe Paramilitär Carlos Castaño als "Führer im Kampf gegen den Umsturz" bezeichnet wurde.

Der ehemalige Paramilitär Jesús Ignacio Roldán Pérez sagte vor Gericht aus, dass am 5. November 2001 paramilitärische Gruppen im Departamento Magdalena per Schiff mit 3.400 AK 47-Gewehren und sieben Millionen Gewehrpatronen versorgt wurden. Die Container mit dem Kriegsmaterial wurden aus dem Laderaum des US-Unternehmens Chiquita Brands entladen. Die Waffen seien als Gummibälle deklariert gewesen. In Antioquia finanzierten Chiquita Brands und dessen Tochtergesellschaft Banadex demnach zusammen mit verschiedenen nationalen Vermarktungsunternehmen paramilitärische Gruppen. Diese hätten von 1997 bis 2007 drei US-Cent pro Kiste exportierter Bananen erhalten, gestand der Paramilitär José Gregorio Mangonez Lugo. Damit hätten diese Unternehmen finanzielle Anreize für die gewaltsame Unterdrückung gewerkschaftlich organisierter Arbeiter geschaffen.

Das US-Getränkeunternehmen Coca Cola, das in der Studie der Universität Javeriana nicht erwähnt wird, wurde in den Vereinigten Staaten nach einer Anzeige der kolumbianischen Gewerkschaft Sinaltrainal vor Gericht gestellt. Verantwortliche des US-Konzerns hatten der Anklage zufolge Paramilitärs angeheuert, um in seinen Abfüllbetrieben zwischen 1990 und 2002 neun Gewerkschafter zu ermorden, berichtet die Seite colombiainforma.info

Einer der ermordeten Gewerkschaftsführer war Isidro Segundo Gil, der Vorsitzende der Gewerkschaft Sinaltrainal, der mit dem Coca-Cola-Betrieb in Carepa (Departamento Antioquia) über einen Forderungskatalog verhandelte. Am Morgen des 5. Dezember 1996 traf eine Gruppe von Paramilitärs bei der Gewerkschaft des Abfüllbetriebs ein und ermordete ihn, heißt es auf der Nachrichtenseite. Im Jahr 2003 wies das mit dem Fall betraute US-Gericht die Klage gegen den Coca-Cola-Konzern jedoch ab, weil der Mord außerhalb der Vereinigten Staaten und daher "physisch und kausal" zu weit vom Hauptsitz des Unternehmens in Atlanta entfernt war. Das Gericht genehmigte aber das weitere juristische Vorgehen gegen zwei Coca-Cola-Abfüller.