Chile bereitet sich auf einen intensiven Protest-März vor

Bündnis ruft zu "feministischem März" auf. Proteste gingen trotz Urlaubszeit weiter und gewinnen nun wieder an Kraft. Aktuelle Zahlen zur Gewalt

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Auch das feministische Bündnis 8M ruft für den März wieder zu verstärkten Protesten auf
Auch das feministische Bündnis 8M ruft für den März wieder zu verstärkten Protesten auf

Santiago. Die Proteste der sozialen Bewegung werden in Chile nach letzten Ankündigungen spätestens ab März wieder an Kraft gewinnen. So rief das Bündnis 8M (Coordinadora Feminista 8M – CF8M) zusammen mit weiteren Organisationen zu einem "feministischen März" auf und kündigte einen sogenannten "Mobilisierungskalender" an. Derweil bestätigen neueste statistische Erhebungen einmal mehr die Brutalität, mit der gegen die Demonstrierenden seit Beginn der Proteste im vergangenen Oktober vorgegangen wurde.

Einige der nun anlaufenden Aktionen haben bereits letzte Woche in verschiedenen Städten Chiles begonnen und sollen sich durch den gesamten März durchziehen, wobei fast täglich politische Aktionen geplant sind. Die 16 Hauptforderungen vereinen sich unter dem Motto "Gegen die Prekarisierung des Lebens". Diese beinhalten einerseits die Bekämpfung von Sexismus und Rassismus im Alltag, beispielweise in Lehrprogrammen der Schule, sowie andererseits die Verbesserung und Sicherung von Sozialleistungen wie bei Wohn- und Arbeitsrechten oder der sozialen Absicherung.

Der Starschuss ist für den "súper lunes feminista" (super feministischer Montag) am 2. März geplant. Der Höhepunkt soll dabei der für den 8. und 9. März geplante Generalstreik sein, der von einer Großdemonstration begleitet werden soll. Dabei erwartet CF8M einen größeren Erfolg als bei dem letztjährigen Frauenkampftag, an dem über eine Millionen Chilenen teilgenommen hatten. Die Organisatoren weisen darauf hin, dass Frauen an den Tagen des Generalstreiks ihre produktive und reproduktive Arbeit niederlegen sollen, um auch die Hausarbeit und die informelle Arbeit sichtbar zu machen.

Die feministische Bewegung hat in Chile, wie auch in vielen der Nachbarländer, massiven Zuwachs erlebt und teilweise schon eine führende Rolle in der derzeitigen Protestwelle eingenommen. So ist das Lied "un violador en tu camino" (ein Vergewaltiger auf deinem Weg) des Kollektivs "Las Tesis" innerhalb weniger Tage zu einer weltweiten feministischen Hymne geworden und hat sich, samt Choreographie, wie ein Lauffeuer über den ganzen Globus verbreitet.

Auch die chilenische Polizei bereitet sich bereits auf den März vor. Die Funktionäre mussten im Februar verschiedene Workshops und Fortbildungen besuchen. Weitere Aufgaben der Sicherheitsbeamten bestehen darin, die Aufrufe zur Mobilisierung verschiedener Organisationen aufzuspüren, um sich besser auf die einzelnen Einsätze vorbereiten zu können. Dies hängt damit zusammen, dass die meisten Demonstrationen aus politischen Gründen nicht mehr angemeldet werden: Von den 25 bisher ausfindig gemachten Aufrufen wurde bislang nur bei zwei offiziell um Erlaubnis gebeten.

Außerdem rückt die Volksabstimmung zur neuen Verfassung immer näher. Am 26. April soll darüber abgestimmt werden, ob es in Chile eine neue Verfassung geben wird, und wenn ja, wie und durch wen diese verfasst werden soll. Befürworter und Gegner einer neuen Verfassung werben jetzt schon unter anderem mit Medienkampagnen für ihr jeweiliges Ziel. Es kam in den vergangenen Tagen auch zu ersten gewalttätigen Zusammenstößen zwischen beiden Gruppen. Dabei wurden Befürworter und Journalisten von der Zeitung "The Clinic" von Verfassungsänderungsgegner auf der Straße angegriffen. Sie wurden als infiltrierte Kommunisten bezeichnet und anschließend geschlagen und beraubt.

Die Proteste gingen aber auch trotz der Ferien- und Urlaubszeit in den vergangenen Wochen weiter. Besonders an Orten wie der umbenannten Plaza de la Dignidad (früher Plaza Italia) kommt es auch derzeit jeden Freitag zu heftigen Auseinandersetzungen zwischen Protestierenden und der Polizei.

Das nationale Institut für Menschenrechte (INDH – Instituto Nacional de Derechos Humanos) berichtet unterdessen von 10.365 Festnahmen seit dem Beginn der Proteste. Bei zwölf Prozent davon handle es sich um Kinder und Jugendliche. Die Generalstaatsanwaltschaft hingegen spricht sogar von mehr als 22.000 Festnahmen. In einem Bericht des Obersten Gerichtshofs wurden dabei allein bis November 977 der Festnahmen als illegal eingestuft. Die weiterhin starke Repression der Polizei hatte auch zuletzt weitere Todesopfer zur Folge. Zu den über 30 Toten kommen 3.649 Verletzte.

Verschiedene Menschenrechtsorganisationen haben nach den Untersuchungen vor Ort Berichte verfasst, die die starke Repression der Regierung verurteilen. Wiederholte Vorwürfe waren der übermäßige Einsatz von Gewalt seitens der Sicherheitsbehörden gegenüber den Demonstrierenden sowie eine systematische Verletzung der Menschenrechte. Nun wurde erneut ein Dokument beim Interamerikanischen Obersten Gerichtshof für Menschenrechte eingereicht, in dem die besonders starken Menschenrechtsverletzungen in der Stadt Valparaíso aufgelistet sind. Auffällig ist hierbei der hohe Anteil von Kindern und Jugendlichen unter den Betroffenen.