Feministinnen in Mexiko fordern Strategie gegen Feminizide

Frauen gehen auf die Straße wegen vieler Morde. Enttäuschung über Reaktion von Präsident López Obrador nach jüngsten Feminiziden

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Die Zahl der Morde an Frauen ist in Mexiko extrem hoch. Dies führte in den vergangenen Tagen zu vielen Protesten
Die Zahl der Morde an Frauen ist in Mexiko extrem hoch. Dies führte in den vergangenen Tagen zu vielen Protesten

Mexiko-Stadt. Zwei besonders brutale Fälle von Frauenmord haben in der mexikanischen Hauptstadt erneut für Proteste von Feministinnen gesorgt. Am Valentinstag demonstrierten sie vor dem Nationalpalast und vor Medienhäusern, die entwürdigende Fotos nach der Ermordung einer 25-Jährigen veröffentlicht hatten. Besonders enttäuscht waren die Frauen von der Antwort von Präsident Andrés Manuel López Obrador auf das Problem. Am Wochenende dann wurde der Mord an einem siebenjährigen Mädchen bekannt, der zu weiteren Demonstrationen führte.

"Frauenmordender Staat" (Estado feminicida) stand am Ende der ersten Demonstration am vergangenen Freitag, dem "Tag der Liebe", in riesigen blauen Lettern auf der Tür des Nationalpalasts in Mexiko-Stadt. Die Rufe der rund 200 Frauen, die sich schon um sechs Uhr morgens vor dem Gebäude versammelt hatten, waren auch drinnen zu hören, wo López Obrador seine morgendliche Pressekonferenz abhielt. Doch der Präsident wirkte von den wiederkehrenden Fragen danach, wie er die Zahl von zehn getöteten Frauen pro Tag senken will, eher genervt. "Ich bin gegen jede Form von Gewalt. Frauen muss man respektieren. Der Machismus ist ein Anachronismus", erklärte er.

Diese Antworten stellten die Frauen nicht zufrieden. Am Abend gingen sie erneut für Ingrid Escamilla auf die Strasse. Die 25-jährige war am 9. Februar auf brutale Art und Weise von ihrem 46-jährigen Lebensgefährten getötet worden. Besondere Empörung rief hervor, dass Bilder vom Tatort schon am nächsten Tag in der Presse zu sehen waren. In Mexiko kommt es häufig vor, dass Beamte von Polizei und Staatsanwaltschaft solche Fotos illegal weiterverkaufen. Jeden Tag sind in den Boulevardblättern Leichen zu sehen. Doch die Fotos von Ingrid, die von ihrem Mörder teilweise gehäutet wurde, waren selbst für mexikanische Maßstäbe zu viel.

"Ich verurteile die Tat und diejenigen, die Bilder des Verbrechens veröffentlicht haben, aufs Äußerste", erklärte Innenministerin Olga Sánchez Cordero einen Tag nach der Publikation. Und auch weitere Institutionen meldeten sich zu Wort. Das Frauenministerium rief die Medien dazu auf, nach ethischen Maßstäben zu handeln. "Das Verbreiten von Bildern, die Verbrechen entschuldigen oder nur aus Sensationslust veröffentlicht werden, verharmlost die Gewalt und verletzt Würde und Integrität der Opfer und ihrer Familien", hieß es in einer Presseerklärung.

Die Staatsanwaltschaft der Stadt Mexiko gab bekannt, dass sie Ermittlungen gegen sechs Beamte von Polizei und Staatsanwaltschaft aufgenommen hat, die im Verdacht stehen, die Bilder vom Tatort durchgestochen zu haben. Ihnen könnten sowohl beamten- als auch strafrechtliche Konsequenzen drohen, erklärte Staatsanwältin Nelly Montealegre. Allerdings ist bisher kein Fall bekannt, in dem Polizei- oder Justizfunktionäre tatsächlich bestraft wurden. "In meiner Laufbahn als Richterin habe ich noch nie einen solchen Fall gesehen", sagte Celia Marín, Richterin am Obersten Gericht in Mexiko-Stadt, der Agentur Cimacnoticias.

Auch im Fall der Medien, die diese Fotos veröffentlichen, haben die Behörden bisher nicht durchgegriffen. Das Innenministerium, laut "Gesetz über das Recht der Frauen auf ein gewaltfreies Leben" zuständig für die Aufsicht, kündigte eine Untersuchung an. "Fälle wie der von Ingrid Escamilla dürfen sich nicht wiederholen. Wo die Würde der Opfer verletzt wird, hat die Pressefreiheit eine Grenze", erklärte die Behörde. Welche Sanktionen möglich sind, ist aber unklar. Laut Pressegesetz werden "Attacken gegen die Moral und die öffentliche Ordnung" mit umgerechnet zwischen einem und 50 Euro bestraft. Davon dürften sich Boulevardblätter allerdings kaum abschrecken lassen.

Ein allgemein anerkannter Pressekodex existiert nicht. Es gibt zwei "Pakte zur Abschaffung von Gewalt gegen Frauen in den Medien", doch die sind freiwillig. Einen dieser Verträge hatte auch "La Prensa" unterschrieben, die am 10. Februar Fotos von Ingrid Escamilla auf dem Titelblatt veröffentlichte. Deshalb marschierte der Demonstrationszug junger Frauen am Abend des 14. Februar auch zu deren Verlagsgebäude. Doch die Zeitung hatte das Gebäude vorsichtshalber früher als üblich geschlossen und alle Türen verriegelt.

Die Demonstrationen der Frauen waren auch am Montag noch Thema, nachdem ein neuer brutaler Mord die Stadt erschütterte. Die siebenjährige Fátima war am 11. Februar aus der Schule heraus entführt worden. Am Wochenende wurde ihre Leiche in einem Plastikbeutel gefunden. Mexikos Präsident antwortete in seiner morgendlichen Pressekonferenz erneut mit Allgemeinplätzen: "Am Verlust unseres gesellschaftlichen Zusammenhalts ist der Neoliberalismus Schuld ist. So etwas löst man nicht mit Polizei und Gefängnis. Nur wenn wir gute Menschen sind, sind wir glücklich", war seine Reaktion.