Chile: Proteste gegen Regierung und für strengere Maßnahmen gegen Corona

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Strasseblockade in Aysén
Straßenblockade in Puyuhaipi im Süden Chiles. Die Protestierenden fordern die Isolation der gesamten Region

Santiago de Chile. In Chile breitet sich das neuartige Coronavirus SARS-CoV-2 immer weiter aus. Während die rechtsgerichtete Regierung unter Präsident Sebastían Piñera nur schleppend neue Maßnahmen bekanntgibt, organisieren sich Bürgermeisterinnen und Bürgermeister, soziale Organisationen und Spezialisten gegen den kommenden Ansturm und setzten sich für eine stärkere gesundheitliche Prävention ein. Sie fordern die Ausrufung einer nationalen Quarantäne, kostenlose Tests auf den Erreger und einen Entlassungsstopp während der Pandemie. Schon heute, ohne Andrang durch die Viruserkrankungen, sind die Krankenhäuser überlastet und es fehlt an Hygienematerial wie etwa Masken und Handschuhen.

Am vergangenen Samstag waren in Chile 537 Fälle des SARS-nCo-2 registriert. Die meisten davon in der Hauptstadt Santiago, vor allem in den wohlhabenden Vierteln. Ebenfalls am Samstag starb die erste Person, eine bettlägerige Frau, an den Folgen der von dem Virus verursachten Atemwegserkrankung Covid-19.

Die Staatsführung reagierte nur sehr zögerlich auf die bisherigen Ereignisse. Erst als eine große Anzahl an Gemeinden sowie Universitäten am 15. März bekannt gab, alle Bildungsstätten zu schließen, zog die Regierung nach und machte diese Maßnahme zur Grundlage einer eigenen nationalen Politik. Am 18. März erklärte Präsident Piñera den nationalen Katastrophenzustand. Dies bedeutet, dass die Regierung mehr Macht bekommt, um Gelder zu investieren, aber auch Grundrechte zu beschneiden. Als erste Maßnahme übernahm das Militär die Kontrolle über weite Teile des Landes.

Mit dem Sturmgewehr stehen Soldaten nun in den Straßen zum Kampf gegen das Virus. Aber mehr auch nicht, denn anstatt Ausgangssperren zu verhängen, lockerte das Militär diese Regelungen in Gemeinden auf, die eigenständig entsprechende Anordnungen gegeben hatten. Seitdem fällt die Regierung vor allem durch unpassende Aussagen auf. Erst am vergangenen Samstag sagte Gesundheitsminister Jaime Mañalich im Fernsehen, man könne nicht wissen ob "das Virus mutiert und zu einer guten Person wird".

Dieses Verhalten stößt in der Bevölkerung zunehmend auf Empörung und wird nicht mehr hingenommen. Am Freitagabend, dem seit der Revolte vom 18. Oktober traditionellen Protesttag, schlugen die Menschen in vielen Städten und Dörfern laut auf Töpfe und Pfannen, um gegen die aktuelle Politik zu protestieren. Arbeiter streiken und organisieren Proteste, um die Schließung ihrer Unternehmen zu fordern. Am 17. März streikten die Arbeiter des Transportunternehmens Subus, das einen Teil des öffentlichen Personennahverkehrs der Hauptstadt bestreitet, gegen fehlende Hygienemaßnahmen. 28 Busfahrer wurden daraufhin entlassen.

In ländlichen Regionen ging die Bevölkerung – zum Teil in Zusammenarbeit mit der Lokalregierung – dazu über, Straßenkontrollen einzuführen. Dies vor allem, um die An- und Durchreise von Hauptstadtbewohnern aus der Oberschicht zu verhindern. Denn diese verlassen seit Ausbruch des Virus in Massen die Hauptstadt, um die Quarantäne im Ferienhaus am Strand zu verbringen. Da aber das Virus in Santiago in den reichen Vierteln zuerst ausgebrochen ist, hat die Lokalbevölkerung Angst vor Ansteckung. Auf dem Land ist das Gesundheitssystem zudem noch überlasteter als in der Stadt. Mittlerweile zog die Regierung nach und führte 42 Kontrollpunkte im Norden und Süden des Landes ein. Dort sollen der Gesundheitszustand und das Ziel der Reisenden überprüft und Notfalls die Weiterreise verboten werden.

Mittlerweile fordern mehrere linke Parteien, unter anderem die Kommunistische und die Sozialistische Partei Chiles, dass private Spitäler unter öffentliche Kontrolle gestellt werden.

Gleichzeitig zeigte sich die Präsidentin der Ärztekammer, Izka Siches, bestürzt über die Politik der Regierung. Diese sei komplett gescheitert und würde nicht die realen Kapazitäten des Gesundheitssystems beachten. Sie forderte die komplette Schließung von Santiago, mit Ausnahme überlebenswichtiger Sektoren, und bat die Bevölkerung, wenn möglich, zu Hause zu bleiben.