Ecuador: Bürger sollen zahlen, um Regierung aus Corona-Chaos zu retten

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Präsident Lenín Moreno hält in Ecuador das Geld des Staates nicht zusammen und holt es sich nun von den Bürgern wieder zurück
Präsident Lenín Moreno hält in Ecuador das Geld des Staates nicht zusammen und holt es sich nun von den Bürgern wieder zurück

Quito. Die ecuadorianische Regierung von Präsident Lenín Moreno zeigt sich in den vergangenen Tagen bemüht, die sozialen, aber auch wirtschaftlichen Auswirkungen der Corona-Krise in den Griff zu bekommen. Nach den erschütternden Bildern aus Guayaquil, wo infolge der erwartbaren Infektionen das Gesundheitssystem vollständig kollabiert war, und wegen des damit verbundenen Krisenmanagements, war Moreno stark kritisiert worden. Am Freitag kündigte er nun die Schaffung eines Fonds "Humanitäre Unterstützung" an, der dem Staat zusätzliche Einnahmen verschaffen soll, um damit den in Not geratenen Bürgern Unterstützung leisten zu können.

Die Maßnahme sieht vor, dass Unternehmen und Angestellte zusammen einzahlen sollen. Unternehmen sollen ab einer Millionen US-Dollar Umsatz fünf Prozent abgeben, Arbeitnehmer zahlen progressiv gemäß ihrem Einkommen. Zwar werden Geringverdiener noch verhältnismäßig wenig belastet, ab einem Einkommen von 1.000 US-Dollar pro Monat liegt die Belastung aber schon bei 7,5 Prozent und damit höher als bei den großen Unternehmen. Dies steigert sich bis zu einer Abgabe von 35 Prozent bei den höchsten monatlichen Einkommen. Das geht aus einer Berechnung der Nachrichtenportals Pichincha Comunicaciones hervor und macht deutlich, wo Moreno seine Prioritäten setzt.

Von dem Fonds sollen kleine Unternehmen unterstützt werden, die wegen der Corona-Pandemie keine Einnahmen mehr zu verzeichnen haben. Außerdem sollen über zwei Millionen Familien unterstützt werden, die auch bisher schon Hilfe vom Staat benötigt haben. Verwaltet soll der Fonds allerdings nicht von der Regierung selbst, sondern von acht zivilen Vertretern.

Trotzdem sich die finanzielle Lage in Ecuador immer weiter zuspitzt, zahlte die Regierung zuletzt einen 324 Millionen US-Dollar-Kredit zurück. In den vergangenen Wochen wurde zudem der extreme Verfall des Erdölpreises neben den Auswirkungen der Corona-Pandemie immer mehr zum Problem. Die Gehälter für staatliche Angestellte für den Monat März werden erst in der kommenden Woche komplett gezahlt sein. Am Freitag wurde berichtet, dass die Ölreserven für den nationalen Gebrauch nur noch bis Dienstag ausreichen werden. Grund dafür sind zwei beschädigte Ölpipelines. Die staatliche Erdölfirma Petroamazonas kündigte gestern an, die eigene Produktion in 16 von 23 Blöcken deswegen unterbrechen zu müssen.

Präsident Moreno macht für die extrem angespannte wirtschaftliche Situation des Landes weiterhin seine Vorgängerregierung unter Rafael Correa verantwortlich. Correa und weitere ehemalige Regierungsmitglieder wurden vor einigen Tagen zu langen Haftstrafen verurteilt. Der offensichtlich politisch motivierte Prozess und insbesondere die Beweisführung riefen heftige, auch internationale Kritik hervor.

Die Lage in Guayaquil ist derweil infolge der vielen Coronainfektionen und des wegen der Sparpolitik der Regierung kollabierten Gesundheitssystems weiter angespannt. Krankenhäuser sind komplett überfordert, Erkrankte konnten nicht mehr aufgenommen werden und wurden nach ihrem Versterben auf die Straßen gelegt und tagelang nicht abgeholt. Die Generalstaatsanwaltschaft ermittelt nun auch gegen Angestellte eines Krankenhauses, die Geld verlangt haben sollen, damit Angehörigen ihre verstorbenen Familienmitglieder übergeben werden.

Der Indigenendachverband Conaie sowie der wichtigste Gewerkschaftszusammenschluss FUT hatten zu Beginn der Woche Präsident Moreno aufgefordert, die Rückzahlung von Schulden an den Internationalen Währungsfonds (IWF) und private Gläubiger auszusetzen. Conaie erklärte, die nun angekündigten Maßnahmen zeigten die Unfähigkeit der Regierung "für das soziale und wirtschaftliche Wohlergehen der Bevölkerung" zu sorgen. Diese neuerliche "Attacke auf die Arbeiter" und die Nutzung öffentlicher Gelder sei "eine weitere Pandemie". Conaie und FUT hatten die Proteste gegen die neoliberale Politik von Moreno im Oktober vergangenen Jahres angeführt.

Zudem reichte Conaie bei der Interamerikanischen Menschenrechtskommission (CIDH) eine Bitte um einen verbesserten Schutz der indigenen Bevölkerung gegen die Ausbreitung des Coronavirus ein. Die Maßnahmen der Regierung seien absolut unzureichend und die indigenen Gemeinschaften könnten somit in ihrer Existenz bedroht werden.