Corona-Pandemie in Guatemala führt zu mehr Arbeitslosigkeit und Hunger

Weiße Fahnen an Häusern als Zeichen des Hungers. Drastische Einschränkungen des öffentlichen Lebens. Informeller Sektor besonders betroffen

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In Guatemala leiden vielen Menschen unter den Einschränkungen infolge der Corona-Pandemie
In Guatemala leiden vielen Menschen unter den Einschränkungen infolge der Corona-Pandemie

Guatemala. Die Auswirkungen der Corona-Pandemie bedrohen das Leben zahlreicher Guatemalteken. Staatliche Hilfe kommt nur schleppend bei Bedürftigen an. In der Bevölkerung gibt es indes eine große Solidarität.

Die Fälle der bestätigten Infektionen bewegen sich in Guatemala verhältnismäßig noch in relativ geringem Umfang. Bis zum gestrigen Montag gab es nach offiziellen Angaben 1.052 Infizierte und 26 Todesfälle. Allerdings wird im Vergleich zu anderen mittelamerikanischen Ländern bisher wenig getestet. Die teilweise drastischen Einschränkungen des öffentlichen Lebens und das disziplinierte und umsichtige Verhalten der meisten Guatemalteken haben eine massive Verbreitung des Coronavirus bisher wohl verhindert. Allerdings breiten sich Hunger und extreme Armut nun rasant aus.

In dem Land mit über 17 Millionen Einwohnern arbeiten nur rund 1,3 Millionen Menschen im formellen Sektor mit festem Gehalt, Arbeitsverträgen und Zugang zur Krankenversicherung. Seit dem Beginn der Pandemie haben viele Menschen mit Kündigungen und Lohnkürzungen zu kämpfen. In einem am 8. April verabschiedeten Gesetzentwurfs heißt es, private Firmen dürften Mitarbeiter nur mit Genehmigung der Regierung entlassen, in dem Fall würden dann staatliche Hilfsleistungen von täglich 75 Quetzales (etwa 8,90 Euro) greifen. Die Realität sieht jedoch vielfach anders aus. So berichteten zahlreiche Angestellte von Kündigungen, ohne staatliche Hilfe zu erhalten. Teilweise hätten ihre Arbeitgeber die staatliche Unterstützung auch nicht beantragt und Kündigungen ohne den formell vorgesehen Weg ausgesprochen. Auch wenn die Arbeit weiterläuft, scheinen Unternehmen die aktuelle Krise somit für teilweise drastische Lohnkürzungen zu nutzen. So berichtete eine Arbeiterin einer Maquila zur Bekleidungsproduktion, ihr Gehalt sei seit Beginn der Pandemie trotz gleichbleibender Arbeitszeit von 1.500 Quetzales (etwa 177 Euro) auf 850 Quetzales (100 Euro) gekürzt worden. Umgerechnet auf ihre Arbeitszeit bleibe ihr damit ein Stundenlohn von 6.90 Quetzales (78 Cent).

Für die Mehrheit der Guatemalteken blieb schon immer nur eine Arbeit ohne festes Gehalt und ohne Zugang zu Krankenversicherung oder anderen Sozialleistungen. Die Einschränkungen des öffentlichen Lebens mit dem Beginn der Pandemie treffen Millionen Menschen somit hart. Märkte öffnen nur noch eingeschränkt, die Einstellung des Nahverkehrs erschwert den Transport der Waren. Außerdem darf man ohne "triftigen Grund" seine Provinz nicht verlassen, um beispielsweise in größeren Städten seine Produkte zu verkaufen. Auch der Tourismus ist fast vollständig eingebrochen, wie in Antigua. Die touristischen Hauptorte des Landes lassen sich ohne Bus nicht mehr erreichen. Dazu kommen das Verbot, in andere Provinzen einzureisen und die international geltenden Reisewarnungen.

Die Regierung hat eine einmalige Hilfe von 1.000 Quetzales (rund 120 Euro) beschlossen, sollten keine anderen Einnahmen zur Verfügung stehen. Diese bereits Anfang April beschlossene Maßnahme läuft aber nur schleppend an. Die Prüfung des Bedarfs im Einzelfall wurde den Verwaltungen der einzelnen Landkreise übertragen. Von schneller und unbürokratischer Nothilfe kann nicht die Rede sein. So berichtete die Zeitung "Prensa Libre", dass sich die Hilfe weiter verzögere und beispielsweise im Bereich der Verkäufer auf den Märkten nur die Personen berücksichtigt würden, die offiziell angemeldete Stände betreiben und Steuern zahlen. Tausende Menschen, gerade aus den ärmsten Bevölkerungsschichten, verkaufen aber meist nur wenige Produkte inoffiziell am Straßenrand oder als ambulante Händler auf den Märkten. Für sie ist somit keine Unterstützung vorgesehen. Des Weiteren sei es fraglich, inwieweit diese Hilfe weiter entferntere Landstriche erreichten wird.

Viele Menschen in Guatemala versuchen zurzeit, die schlimmsten Folgen der Krise abzufedern. In größeren Städten sind Volksküchen entstanden, die aus gespendetem Essen kostenlose Mahlzeiten zubereiten. Politische und soziale Organisationen oder auch private Initiativen sammeln Tüten mit Grundnahrungsmitteln und verteilen diese an Bedürftige weiter. Zu einem auch international beachteten Symbol für dringend benötigte Hilfe sind in diesen Wochen weiße Fahnen geworden, die an Häusern angebracht und auch von Menschen an Straßenkreuzungen getragen werden, um damit dringenden Bedarf an Nahrungsmitteln zu signalisieren.

Die Ernährungssituation in Guatemala ist auch in normalen Zeiten kritisch. 46,5 Prozent aller Kinder sind chronisch unterernährt, in ländlichen Regionen sind es teilweise über 80 Prozent. Witterungsbedingte Ernteausfälle haben in den vergangenen Jahren immer wieder zu regelrechten Hungersnöten geführt.