VIP-Aufruf für ein Ende der Kuba-Blockade der USA

Rund 60 Persönlichkeiten aus Kultur und Wissenschaft appellieren vor deutscher EU-Ratspräsidentschaft an Bundesregierung

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Trump und Kuba: Karikatur der Seite cubahora.cu
Trump und Kuba: Karikatur der Seite cubahora.cu

Havanna. Mehrere deutsche Kulturschaffende, die in Kuba leben und arbeiten, sowie rund 60 Persönlichkeiten aus Kultur und Wissenschaft haben die Bundesregierung aufgefordert, konkrete Schritte gegen die US-Kuba-Blockade zu unternehmen. Eine entsprechende Resolution, die amerika21 exklusiv vorliegt, ist am heutigen Dienstagmittag auf der Onlineplattform change.org erschienen. Unterzeichnet wurde der Text unter anderem von dem Regisseur Fatih Akin, dem Dirigenten Wolfgang Bozic, dem Linguisten Noam Chomsky, der ehemaligen Justizministerin Herta Däubler-Gmelin sowie den Musikern Jan Delay und Konstantin Wecker.

"Wir sind eine Gruppe Deutscher, die im Kultur- und Wissenschaftsbereich in Kuba tätig sind, und seit Jahren mit ansehen müssen, wie das US-Embargo die Lebensbedingungen der Menschen hier ständig verschlechtert", heißt es in dem Aufruf, der bewusst wenige Tage vor der Übernahme der EU-Ratspräsidentschaft durch die Bundesregierung lanciert wurde.

Während internationale Medien Kuba für seinen erfolgreichen Einsatz gegen die Corona-Pandemie lobten und eine internationale Kampagne die kubanischen Ärztemissionen für den Friedensnobelpreis vorschlage, setzten die USA Kuba auf eine Liste von "Terrorstaaten” und behinderten massiv die Lieferungen von Medikamenten, Rohstoffen für die Impfstoffentwicklung sowie medizinischen Hilfsgütern an die kubanische Bevölkerung, heißt es in dem Text. Zudem versuche die US-Regierung mit allen Mitteln, Kuba im Windschatten der Corona-Krise in die Knie zu zwingen, indem sie Druck auf Länder ausübe, auf kubanische Ärztemissionen zu verzichten. Auch würden Geldüberweisungen der im Ausland lebenden Kubaner an ihre Familien unterbunden. Diese Überweisungen, sogenannte Remesas, sind eine der wichtigsten Devisenquellen des Karibikstaates.

"Wir haben diese Petition gestartet, weil wir seit Jahren in Kuba leben und beobachten, wie die Situation immer schlimmer wird", sagte die Germanistin und Mitinitiatorin Ulrike Dorfmüller gegenüber amerika21: "Wir sehen, wie in unseren Projekten in Wissenschaft und Kultur die Bedingungen immer schwieriger werden und wie sich auch die Versorgungslage für die Bevölkerung stetig verschlechtert." Seit der Verschärfung der US-Blockade im Mai setze sich diese Negativentwicklung in einem atemberaubenden Tempo fort, in Washington würden "fast wöchentlich" neue Zwangsmaßnahmen getroffen werden, so Dorfmüller: "Deswegen hatten wir das Gefühl, aktiv werden zu müssen."

In dem Aufruf heißt es, die US-Blockade rufe "über alle parteipolitischen Grenzen hinweg weltweit Empörung hervor". Immer mehr Staaten, Institutionen und Persönlichkeiten forderten ein Ende der Zwangsmaßnahmen, darunter UN-Generalsekretär António Guterres, die UN-Kommissarin für Menschenrechte Michelle Bachelet, Argentiniens Präsident Alberto Fernández, Papst Franziskus, der Hohe Vertreter der EU für Außen- und Sicherheitspolitik Josep Borrell, US-Kirchenverbände, eine Experten-Kommission des UN-Menschenrechtsrats sowie US-Senatoren und Kongressabgeordnete beider Parteien. "In diese weltweite Bewegung reihen wir uns ein und appellieren an die deutsche Regierung, die Entwicklungszusammenarbeit mit Kuba nicht zu streichen und sich, insbesondere während ihrer EU-Ratspräsidentschaft im zweiten Halbjahr 2020, aktiv für eine Aufhebung der illegalen Blockadepolitik einzusetzen", so die Initiatoren und Erstunterzeichner.

"Als Historiker lebe und arbeite ich in und zu Kuba seit 20 Jahren, fest in Havanna seit fünf Jahren", sagte Rainer Schultz, der in der kubanischen Hauptstadt eine Forschungsstelle US-amerikanischer Universitäten leitet. Seit 1959 sei das Ende der Revolution prophezeit worden, so Schultz, die US-Regierungen hätten seither mit allen Mitteln versucht, das Leid auf der Insel zu erhöhen und die Gesellschaft zum Zusammenbruch zu bringen. "Einen gewissen Kurswechsel gab es mit Präsident Barack Obama", erinnert sich Schultz: "Der sprach 2016 kurz vor seinem historischen Besuch auf die sozialistische Insel selbst zu seinem Kongress: 'Lift the Embargo’!"

Unter Nachfolger Donald Trump versuchten die USA nun aber wieder, mit allen Mitteln und ausgerechnet in der globalen Gesundheitskrise Kuba besonders zu bestrafen. "Daher werden die Stimmen lauter, die den unmenschlichen Charakter der US-Sanktionen erkennen und verurteilen, und diesen Stimmen wollen wir Ausdruck verleihen", sagt der Historiker. Deutschland und die EU, so seine Hoffnung, könnten für einen anderen Weg stehen: "Dialog, Austausch, Kooperation. Gerade jetzt in der globalen Corona-Krise.”

Kulturvertreter wie die Regisseure Volker Schlöndorff und Wim Wenders, der Berliner Völkerstrafrechtler Gerhard Werle oder der ehemalige UN-Sonderberichterstatter für das Recht auf Nahrung, Jean Ziegler, fordern in dem Text von der EU, eine Verordnung aus dem Jahr 1996 endlich umzusetzen und eigene Unternehmen und Kuba effizient vor US-Sanktionen zu schützen. "Einhergehend mit der Verurteilung der US-Blockade müssen Instrumente geschaffen werden, die europäische Unternehmen schützen, die mit Kuba weiterhin Handelsbeziehungen unterhalten möchten", so Dorfmüllers Überzeugung. Es müsse möglich werden, Klagen abzuwehren, die extraterritorial von der US-Justiz gegen europäische Unternehmen angestrengt werden.