Bolivien: Blockade einer Mülldeponie in Cochabamba nach Verhandlungen beendet

Wegen Umwelt- und Grundwasserverschmutzung kämpfen Anwohner seit Jahrzehnten für die Schließung der Deponie in K´ara K´ara

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Nach harten Verhandlungen unterzeichneten Vertreter der "Selbstorganisierten" am 11. Juli das Abkommen mit der Lokalregierung. Links im Bild Gouverneurin Ester Soria
Nach harten Verhandlungen unterzeichneten Vertreter der "Selbstorganisierten" am 11. Juli das Abkommen mit der Lokalregierung. Links im Bild Gouverneurin Ester Soria

Cochabamba/La Paz. Die Blockade der kommunalen Mülldeponie in K’ara K’ara im Süden der Stadt Cochabamba ist beendet worden. Vertreter der lokalen Regierung und der Protestierenden haben ein Abkommen unterzeichnet. Die sogenannten Selbstorganisierten hoben die seit zwei Wochen andauernde Blockade auf. Sie ermöglichen damit die Abladung von mehr als 6.000 Tonnen in der Stadt angesammelten Abfalls auf der Müllhalde. Die Ombudsstelle für Menschenrechte hatte beide Seiten am 6. Juli zu einem "Runden Tisch" eingeladen und seitdem bei den Gesprächen vermittelt.

Die Gouverneurin von Cochabamba, Esther Soria, der Bürgermeister der Stadt Cercado, José María Leyes, der Vertreter der Ombudsstelle für Menschenrechte, Nelson Cox, und die Protestteilnehmer unterzeichneten nun nach elfstündigen Verhandlungen eine gemeinsame Vereinbarung, damit die Blockade beendet wird. Die lokale Politik verpflichtete sich im Gegenzug, die Forderungen der Anwohner zu erfüllen. Die Stadtverwaltung werde innerhalb von 30 Tagen eine weitere Mülldeponie eröffnen. Auch soll ein Krematorium für die Covid-19-Todesopfer auf dem Friedhof von K’ara K’ara errichtet werden. In der Stadt waren zuletzt Leichen auf den Straßen abgelegt worden, da es zunehmend Probleme bei der Bestattung oder Einäscherung der von der Pandemie hinterlassenen Toten gibt. Des Weiteren würde die Gemeinde in Bildungs- und Gesundheitsfragen im Zusammenhang mit der Corona-Pandemie unterstützt.

Die Ombudsstelle sagte zudem die Verteidigung der Menschenrechte und die juristische und soziale Unterstützung von drei während der Blockade Inhaftierten zu, darunter die Senatskandidatin der Bewegung zum Sozialismus (Movimiento Al Socialismo, MAS), Lucy Escobar. Letzteres war einer der schwierigsten Verhandlungspunkte, nicht zuletzt aufgrund der zunehmenden juristischen Verfolgung von ehemaligen Regierungsvertretern und Parteimitgliedern der MAS.

Auf dem 40 Hektar großen Gelände, auf dem sich ein Eukalyptuswald befand, wurde 1987 eine Müllhalde für die Stadt Cochabamba errichtet. Die 630.000 Einwohner zählende Großstadt ist die viertgrößte des Landes und produziert Schätzungen zufolge 450 bis 600 Tonnen Müll täglich. Der städtischen Müll- und Reinigungsfirma Emsa zufolge lagern über 350.000 Tonnen ungetrennten Mülls auf der Halde.

Der sich seit Wochen zuspitzende Konflikt in K’ara K’ara ist nun vorerst beendet. Die Protestteilnehmer hatten jenseits des lokalen Konflikts die Aufhebung der Ausgangssperre, die Durchführung von Präsidentschaftswahlen und den Rücktritt der selbsternannten Interimspräsidentin Jeanine Áñez und ihres Innenministers Arturo Murillo gefordert.

Im Verlauf des Protests seit dem 10. Mai war es immer wieder zu gewalttätigen Auseinandersetzungen mit Polizei und Militär gekommen. Soldaten besetzten sogar zeitweise die Region. Murillo warf den Demonstranten die "Destabilisierung des Landes" vor und drohte ihnen, dass sie "entweder durch das Coronavirus oder im Gefängnis sterben werden, weil sie die Quarantäne und die Beschränkungen wegen der Pandemie nicht einhalten". Den drei Gefangenen wird "Aufstand" und "Terrorismus" vorgeworfen.

Daraufhin hatten das Hochkommissariat für Menschenrechte der Vereinten Nationen (OHCHR) und die Interamerikanische Menschenrechtskommission die Kriminalisierung des Protest durch Vertreter des Staates und die Verhaftung verurteilt. Das OHCHR rief Boliviens De-facto-Regierung dazu auf, "auf jegliche unverhältnismäßigen Maßnahmen zu verzichten, die gegen die Menschenrechte von Personen verstoßen, wie die unrechtmäßige Anwendung des Strafrechts, die übermäßige Gewaltanwendung und willkürliche Inhaftierungen".

Die Auseinandersetzungen um die Deponie haben eine lange Vorgeschichte. Die ersten Proteste von Anwohnern fanden bereits 1999 statt. Sie klagten über den Mangel einer adäquaten Weiterverarbeitung des Mülls sowie über Luft- und Umweltverschmutzung. Das verunreinigte Grundwasser der Brunnen und des Flusses Tamborada und die toxischen Gase würden zu gesundheitlichen Schäden der Anwohner führen. Wissenschaftliche Studien stellten mehrfach eine Boden- und Wasserbelastung mit Schwermetallen fest, verursacht durch eine unangemessene Behandlung des Mülls und der Deponie. Selbst die Empfehlung der öffentlichen Kontrollbehörde zur Schließung der Müllhalde im Jahr 2001 blieb ohne Ergebnis. 2003 blockierten Anwohner für drei Monate den Zugang zur Deponie. Damals verpflichtete sich die Lokalregierung zur Verbesserung der Infrastruktur und zur definitiven Schließung der Halde, was eine steigende Ansiedlung von Bewohnern in der Region zur Folge hatte. Nichts davon setzten die Behörden um.

Die Proteste der Anwohner rissen daher nicht ab. Nach einer Inspektion von K´ara K´ara durch das Umweltministerium 2008 erklärte das damalige Parlament den Ort als Umweltdesaster. Anwohner erreichten sogar ein Jahr später durch eine Klage beim Obersten Gerichtshof, dass dieser aufgrund der Umwelt- und Grundwasserverschmutzung das Abladen von Müll zum 1. Januar 2010 verbot. Trotz allem wurden die Anwohner immer wieder von der Lokalregierung vertröstet und Versprechungen gemacht, die nie eingehalten wurden.