Peru / Politik

Polit-Krise in Peru: Kongress leitet Amtsenthebungsverfahren gegen Präsidenten ein

Tonaufnahmen veröffentlicht, die Vizcarra möglicherweise Verstrickung in Betrugsfall nachweisen. Präsident muss sich Befragung stellen

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Könnte Vizcarras Bekanntschaft zum Betrüger "Richard Swing" (Bild) ihm das Amt kosten?
Könnte Vizcarras Bekanntschaft zum Betrüger "Richard Swing" (Bild) ihm das Amt kosten?

Lima. Das peruanische Parlament hat für die Einleitung eines Amtsenthebungsverfahren gegen Präsident Martín Vizcarra wegen "moralischer Amtsunfähigkeit" gestimmt. Das Staatsoberhaupt muss sich nun einer Anhörung vor der legislativen Kammer im Zuge des Betrugsskandals "Richard Swing" stellen. Danach wird darüber entschieden, ob der Präsident sein Amt weiter ausführen kann.

Für die Einleitung des Verfahrens wurde das nötige Quorum von 52 Stimmen erreicht: 65 von 130 Abgeordneten hatten mit "Ja" gestimmt. Am kommenden Freitag wird das Staatsoberhaupt zu einer Befragung sowie einer finalen Abstimmung ins Parlament vorgeladen. Eine Amtsenthebung erfordert laut Verfassung 87 Stimmen – also im Grunde eine Zwei-Drittel-Mehrheit.

Zum Hintergrund: Vergangene Woche hatte der Abgeordnete der Union für Peru (UPP), Edgar Alarcón, Tonaufnahmen von internen Gesprächen des Präsidenten veröffentlicht, bei denen dieser angeblich bei einer Absprache mit engen Beratern zu hören ist, wie gegenüber dem Kongress eine Beteiligung am Betrugsfall "Richard Swing" verheimlicht werden könne.

Der unter dem Künstlernamen "Richard Swing" auftretende Sänger Richard Cisneros war seit 2017 vom Kulturministerium wiederholt für Aufgaben wie Beratungen und Motivationsseminare unter Vertrag genommen worden und hatte dabei insgesamt 50.000 US-Dollar erhalten. Dabei verfügte der Künstler über keinerlei fachliche Kompetenzen, die solche Aufträge hätten rechtfertigen könnten.

Das heikle dabei: Cisneros war 2016 an Vizcarras Kampagne zur Vize-Präsidentschaft beteiligt gewesen. Einige Oppositionspolitiker sprechen gar von einer freundschaftlichen Beziehung zwischen ihm und dem heutigen Präsidenten. In den Audio-Mitschnitten ist ebenfalls zu hören, wie der Präsident berichtet, Cisneros während seiner Amtszeit mehrmals getroffen zu haben.

Nach dem Bekanntwerden der Audios stellten Vizcarras Gegner Strafanzeige bei der Generalstaatsanwaltschaft wegen Meineides, Amtsmissbrauchs und versuchter Vertuschung.

Vizcarra gab an, ein persönliches Verhältnis zu dem Sänger nie bestritten zu haben, wies jedoch jeden Verdacht zurück, einen Einfluss auf die Beauftragung Cisneros gehabt zu haben. "Wenn Sie mich des Amtes entheben wollen: Hier bin ich!", so das Staatsoberhaupt in einer Ansprache am Donnerstag.

Laut Vizcarra handelt es sich bei der Veröffentlichung der Audiodateien um eine weitere Strategie politischer Kräfte im Parlament, seinen Anti-Korruptionskurs zu bremsen. Seit Amtsantritt 2018 befindet sich der parteilose Präsident im ständigen Konflikt mit der Legislative.

In der Abstimmung am vergangenen Freitag stimmten die ultrarechten Fraktionen "Wir können", die Fortschrittsallianz sowie die linksnationalistische UPP für eine Amtsenthebung. Auch die Mehrheit der sich als zentristisch verstehenden Volksaktion (AP) unterstützt das Verfahren.

UPP-Parlamentarier José Vega begründet das Vorgehen: "In dem [mitgeschnittenen] Gespräch wird deutlich, dass Besuche zu drei Gelegenheiten stattfanden. Der Präsident empfing Richard Cisneros, der Präsident hat das Land angelogen."

Die links-progressive Breite Front, die evangelikale Agrarische Volksfront, die liberale Lila Partei sowie die Rechtsparteien "Wir sind Peru" und die fujimoristische "Volkskraft" enthielten sich oder stimmten dagegen.

Auch einige AP-Abgeordnete wichen von der Mehrheitsposition der Fraktion ab – so auch Kongressmitglied Luis Roel: "Unter normalen Umständen wären diese schändlichen Audios Grund genug, jeden Präsidenten des Amtes zu entheben. Nichtsdestotrotz wäre es nicht verantwortlich, inmitten einer Gesundheitskrise und einer Wirtschaftskrise dem Land noch eine politische Krise zuzufügen."

Francisco Sagasti von der Lila Partei sprach von einem Verfahren, das rein auf "Klatsch, Hören-Sagen und fragwürdigen Audio-Mitschnitten" beruhe.

Trotz der neuen Vorwürfe genießt Vizcarra weiterhin großen Rückhalt in der Bevölkerung. Nach der Abstimmung im Kongress versammelten sich Menschen in der Hauptstadt auf ihren Balkonen und taten durch "Töpfe-Klopfen" (Cacerolazo) ihre Ablehnung der Amtsenthebung inmitten der Corona-Krise kund.

Die kommenden Präsidentschaftswahlen sind für April 2021 angesetzt. Vizcarra kann laut Gesetz nicht wiedergewählt werden.

Am Samstag wurde ein weiteres brisantes Detail des Verfahrens bekannt: Kongress-Präsident und AP-Mitglied, Manuel Merino, hatte im Vorfeld der Abstimmung den Kontakt zur Militärführung gesucht, um sich den Rückhalt der Streitkräfte zu sichern.

Verteidigungsminister Jorge Chávez Cresta wies gegenüber Medien jede Beteiligung des Militärs zurück: "Die Streitkräfte kommen ihrer verfassungsrechtlichen Rolle nach." Dem fügte er hinzu, dass eine Amtsenthebung in der aktuellen Situation "kein Stück vernünftig" wäre.