Venezuela / Politik

Präsident von Venezuela stellt Anti-Bockade-Gesetz vor

Gesetz soll den Behörden rechtliche Instrumente zur Verfügung stellen, um die Auswirkungen der Sanktionen abzuschwächen und zu verringern

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Venezuelas Präsident Maduro stellte das Gesetzesprojekt "Ley Antibloqueo" am 29. September im Präsidentenpalast Miraflores vor
Venezuelas Präsident Maduro stellte das Gesetzesprojekt "Ley Antibloqueo" am 29. September im Präsidentenpalast Miraflores vor

Caracas. Venezuelas Präsident Nicolás Maduro hat ein neues "Anti-Blockade-Gesetz" vorgestellt, mit dem die Regierung die Auswirkungen der einseitigen Wirtschaftssanktionen der USA gegen Venezuela bekämpfen will. Das Gesetz wurde der Nationalen Verfassunggebenden Versammlung (ANC) des Landes vorgelegt und soll in den nächsten Tagen beraten werden.

In erster Linie soll das Gesetz den venezolanischen Behörden "rechtliche Instrumente zur Verfügung stellen, um die schädlichen Auswirkungen der Verhängung einseitiger Zwangsmaßnahmen auf effektive, dringliche und nötige Weise zu bekämpfen, abzuschwächen und zu verringern", wie es etwas umständlich in Artikel 1 des Gesetzesentwurfs heißt.

In Artikel 17 würde die Regierung bevollmächtigt, "gewisse rechtliche Bestimmungen in spezifischen Fällen außer Kraft zu setzen", sofern dies "zur Überwindung der (durch die Sanktionen geschaffenen) Hindernisse" nötig sei. Auch zur Kompensation von Schäden, die dem Staat durch die US-Zwangsmaßnahmen entstehen, oder zur Sicherung venezolanischen Staatseigentums könnte die Exekutive direkt intervenieren.

Insbesondere erwähnt der Gesetzesentwurf etwa die Schaffung neuer Finanzierungsinstrumente (Art. 20 und 21), die staatlich verordnete "Reorganisation" von Unternehmen (Art. 23), die Veränderung von Unternehmens- und Führungsstrukturen öffentlicher Betriebe (Art. 24) und Maßnahmen bei der öffentlichen Auftragsvergabe (Art. 26). Auch eine Stärkung des Privatsektors (Art. 27) sowie Förderung und Schutz privater Investitionen (Art. 31) werden explizit genannt.

Die Maßnahmen, also eine Außerkraftsetzung oder Anpassung bestehender Rechtsnormen, dürfen laut Artikel 19 nur ergriffen werden, um (1) Löhne oder Kaufkraft der Beschäftigten zu stärken, (2) die Finanzierung der Sozialsysteme und Menschenrechtsprogramme zu sichern, (3) die Qualität öffentlicher Dienstleistungen wiederherzustellen, (4) die inländische Produktion in strategischen Sektoren zu stärken oder (5) öffentliche Infrastukruren zu unterhalten oder auszubauen. Explizit ausgenommen von einer Außerkraftsetzung sind Bestimmungen über die Menschenrechte und über die Gewaltenteilung.

Über die Umsetzung des Gesetzes soll der Staatsrat wachen. In dieser Institution sind Exekutive, Parlament, Oberstes Gericht sowie die Gouverneure der Bundesstaaten vertreten. Zudem würde eine neue Nationale Beobachtungsstelle für einseitige Zwangsmaßnahmen geschaffen, welche die Umsetzung durch wissenschaftliche Evaluation begleiten soll.

Bei der Vorstellung des Gesetzesentwurfs betonte Maduro, der erweiterte rechtliche Rahmen würde "dem Staat erlauben, unsere internen und externen Vermögenswerte vor Konfiszierung und Raub durch ausländische Regierungen und der Blockade unterworfene Unternehmen zu schützen". Es sollten neue Allianzen mit produktiven Unternehmen im In- und Ausland geschlossen werden, "um die Wirtschaft zu entwickeln und Geschäfte in strategischen Bereichen zu fördern", so der Staatschef.

Venezuela ist einem seit 2015 ständig verschärten Sanktionsregime der USA und ‒ wenn auch in geringerem Maß ‒ der Europäischen Union und Kanadas unterworfen. Diese Zwangsmaßnahmen wurden einseitig verhängt und nicht völkerrechtlich abgestimmt. Nach wiederholten Aussagen hochrangiger US-Funktionäre bis hin zum Präsidenten selbst dienen sie ausdrücklich dazu, das "Maduro-Regime" zu stürzen. Nach Angaben der venezolanischen Regierung beeinträchtigen die Sanktionen etwa den Import von Medikamenten, Nahrungsmitteln und Treibstoffen. Sie verhindern zudem Venezuelas Zugriff auf staatliche Vermögenswerte im Ausland.

Im Mai hatte die Regierung Maduro dem Sicherheitsrat der Vereinten Nationen einen ausführlichen Bericht über die Schäden vorgelegt, welche die Sanktionspolitik der USA und der Europäischen Union für das südamerikanische Land bewirken. Demnach beläuft sich "die Enteignung von Ressourcen" insgesamt auf mehr als neun Milliarden US-Dollar. Dies stelle jedoch nur einen Bruchteil der Werte dar, die der venezolanische Staat oder Firmen auf Konten im Ausland unterhielten, "die ebenfalls gestohlen wurden". Mit einzurechnen seien "Milliarden von Dollar an Dividenden von Konten der staatlichen venezolanischen Erdölgesellschaft PDVSA", die eingefroren blieben und von 2017 an nicht zurückgeführt werden konnten. Die weiteren Strafmaßnahmen, die von den USA ab Februar 2020 verhängt worden sind, hätten bereits Verluste in Höhe von mehr als 116 Milliarden Dollar verursacht, klagt Venezuela an.

Eine Untersuchung der Washingtoner Denkfabrik Center for Economic and Policy Research vom April 2019 analysierte die Folgen der Strafmaßnahmen gegen Venezuelas Erdölsektor, die in den zwölf Monaten seit Verhängung der Saktionen im August 2017 zu Verlusten von geschätzt sechs Milliarden US-Dollar führten. Die Autoren Mark Weisbrot und Jeffrey Sachs gehen von weiteren sechs Milliarden Dollar verlorenen Exporterlösen in diesem Jahr aus, sollte die Produktion auf dem derzeitigen Niveau bleiben.

Die Studie kam zu dem Schluss, dass die Sanktionen der USA zu rund 40.000 Todesopfern in Venezuela geführt hatten. Inzwischen dürfte diese Zahl auf ein Vielfaches angesteigen sein, da die Strafmaßnahmen in der Zwischenzeit massiv ausgeweitet und das Land zusätzlich von der Corona-Pandemie heimgesucht wurde.