Peru: Unruhen nach Absetzung von Präsident Vizcarra, Nachfolger muss zurücktreten

Tote und Verletzte bei Protesten. Scharfe Kritik an Polizeigewalt. Verfassungsgericht überprüft Absetzung Vizcarras

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"Die Macht dem Volk" fordern Demonstrierende in Peru
"Die Macht dem Volk" fordern Demonstrierende in Peru

Lima. Der als Nachfolger des abgesetzten peruanischen Präsidenten Martín Vizcarra angetretene Manuel Merino hat am Sonntag seinen "unwiderruflichen" Rücktritt erklärt. In einer Fernsehbotschaft an die Nation gab er seine Entscheidung bekannt, nur wenige Minuten nachdem der Kongress ihn zum Rücktritt gedrängt und zu einer außerordentlichen Sitzung aufgerufen hatte, um eine verfassungsmäßige Lösung der Krise zu finden.

Die Ankündigung des Rücktritts wurde in den Straßen mit Jubel und Beifall begrüßt. 

Seit Tagen hatte es massive Demonstrationen im ganzen Land gegeben. 13 Minister waren zurückgetreten, die gerichtliche Überprüfung der Amtsenthebung Vizcarras war angekündigt worden uns es gab scharfe Kritik zahlreicher nationaler und internationaler Organisationen an der Absetzung Vizcarras und der Polizeigewalt.

Vizcarra wird beschuldigt, während seiner Zeit als Präsident der Region Moquegua Schmiergelder entgegengenommen und im Gegenzug dem Unternehmen Obrainsa e Ingenieros Civiles y Contratistas Generales S.A. öffentliche Aufträge für das Krankenhaus in Moquegua sowie ein Projekt zur Bewässerung in Ilo zugeschanzt zu haben. Er wies die Vorwürfe stets zurück.

Der gestürzte Präsident hatte die Legitimität der neuen Regierung unter Parlamentspräsident Manuel Merino in Frage gestellt und seine Anhänger zu Demonstrationen aufgerufen. In mehreren Teilen der Hauptstadt Lima und in weiteren Städten im ganzen Land kam es in den letzten Tagen zu Protesten durch Tausende Demonstrierende. Mindestens zwei Dutzend Menschen wurden bei Zusammenstößen mit der Polizei verletzt und es kam zu ersten Todesopfern. Zwei junge Männer sind laut Medienberichten an den Folgen von Schussverletzungen durch Polizisten gestorben.

Die Vertretung der Vereinten Nationen in Peru und die Interamerikanische Menschenrechtskommission äußerten ihre Besorgnis über die übermäßige Gewaltanwendung durch die Polizei während der Proteste. Das Büro des UN-Hochkommissariats für Menschenrechte in Südamerika sowie zahlreiche Menschenrechtsorganisationen riefen dazu auf, das Demonstrationsrecht zu respektieren.

Die Demonstrierenden riefen Parolen wie "Merino raus" und "Merino repräsentiert uns nicht". Obwohl Vizcarra nicht von allen Protestteilnehmenden unterstützt wird, lehnt eine Mehrheit das Vorgehen des Kongresses gegen ihn ab. Laut einer Umfrage von Ipsos-El Comercio Ende Oktober waren 78 Prozent der Bevölkerung der Meinung, dass Vizcarra im Amt bleiben sollte.

Organisationen wie die peruanische Nationale Koordination für Menschenrechte, ein Zusammenschluss zivilgesellschaftlicher Organisationen, prangerten an, dass die Kongressabgeordneten, die für die Amtsenthebung Vizcarras gestimmt hatten, einen Putsch begangen hätten. Besonders die Auslegung der „permanenten moralischen Amtsunfähigkeit" sei willkürlich. Nach dem ersten Versuch der Amtsenthebung im September hatte Vizcarra beim Verfassungsgericht eine Klage eingereicht, um diesen schwammigen Rechtsbegriff klären zu lassen.

Die Organisation Amerikanischer Staaten (OAS) betonte, dass sich das Verfassungsgericht "zur Rechtmäßigkeit und Legitimität der getroffenen institutionellen Entscheidungen" und zu "den Differenzen, die bei der Auslegung der Verfassung in Übereinstimmung mit den Aktionen und Vorschlägen der politischen Akteure" im Land bestehen können, äußern müsse.

Das Gericht kündigte indes an, die Klage gegen den ehemaligen Präsidenten am 18. November bei einer Anhörung der verschiedenen Parteien zu überprüfen.

Merino, Vizcarras Nachfolger, und Kongressabgeordnete verteidigen die Verfassungsmäßigkeit, weisen auf die Korruption als Grund für die Amtsenthebung hin und fordern die Bevölkerung zur Ruhe auf. Inzwischen reichten jedoch 13 der 18 Minister im neuen Kabinett ihren Rücktritt ein.