Caracas. Die von dem selbsternannten Interimspräsidenten Juan Guaidó angeführte radikale Opposition in Venezuela hat nach eigenen Angaben eine erfolgreiche Volksabstimmung durchgeführt. Für den Wahlprozess war indes keine Kontrolle durch nationale oder internationale Institutionen oder Wahlbeobachter noch eine transparente Prüfung der Beteiligung und der Antworten vorgesehen.
Ab dem 7. Dezember konnten die Wahlberechtigten mittels zweier Apps auf dem Mobiltelefon und am vergangenen Samstag direkt an 7.000 Wahltischen drei Fragen mit "Ja" oder "Nein" beantworten:
"1. Fordern Sie die Beendigung der Usurpation der Präsidentschaft durch Nicolás Maduro und fordern Sie freie, faire und überprüfbare Präsidentschafts- und Parlamentswahlen?
2. Lehnen Sie die Veranstaltung vom 6. Dezember, die vom Regime von Nicolás Maduro organisiert wurde, ab und ersuchen die internationale Gemeinschaft, sie zu ignorieren?
3. Verlangen Sie von der internationalen Gemeinschaft, die notwendigen Schritte einzuleiten, um die Zusammenarbeit, Begleitung und Unterstützung zu aktivieren, die es ermöglichen, unsere Demokratie zu retten, die humanitäre Krise zu bewältigen und die Menschen vor den Verbrechen gegen die Menschheit zu schützen?"
Laut Guaidó haben insgesamt 6.466.791 Personen an der Befragung teilgenommen, was 31,22 Prozent der Wahlberechtigten entspricht. Im Land selbst selbst seien es 3.209.714, im Ausland 844.723 gewesen und 2.412.354 Wähler hätten digital abgestimmt. Damit habe man die Beteiligung an den Parlamentswahlen am 6. Dezember übertroffen, erklärte er. Sie lag nach Angaben der Wahlbehörde bei 30,5 Prozent.
Wie internationale Medien berichten, gab es an den Wahltischen keinerlei Kontrolle, ob jemand bereits digital oder an einem oder mehreren anderen Orten abgestimmt hatte. Die Wähler mussten lediglich ihren Namen angeben und unterschreiben – einen Datenabgleich gab es nicht. Bei der Nutzung der Apps musste man ein Foto des Ausweises schicken, das dann wieder gelöscht wurde.
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Wie viele Wähler für oder gegen jeden einzelnen der drei Vorschläge stimmten, ist nicht bekannt gegeben worden.
Wie der Koordinator der Volksbefragung, Emilio Graterón, nach der Abstimmung am Samstag erklärte, würden "alle Notizbücher", in denen die Daten der Wähler festgehalten wurden, sofort "vernichtet, um zu verhindern, dass die Identitäten derjenigen, die zur Wahl gegangen sind, preisgegeben werden“. Zum Zeitpunkt der Schließung der Wahllokale habe es "in großen Teilen des Landes" keinen Strom und auch kein Internet gegeben, was die Übertragung der Ergebnisse erschwerte, so Graterón weiter.
Die oppositionsnahe spanische Agentur EFE kommentierte, Guaidó habe "eine Flut von Zweifeln über Zahlen ausgelöst, die von Beobachtern nicht verifiziert wurden" und "einen Weg eröffnet, der noch kein Ziel hat".
Guaidó hingegen erklärte, mit der Volksbefragung seien die Parlamentswahlen vom 6. Dezember ungültig. Es gebe "keine gewählten Abgeordneten", die aktuelle Nationalversammlung, deren Legislaturperiode regulär am 5. Januar 2021 endet, werde fortgesetzt, beteuerte er.
Präsident Maduro bat indes die neugewählte Nationalversammlung, eine Untersuchungskommission einzurichten, um die von den USA an die Opposition und insbesondere das Guaidó-Lager gezahlten Gelder zu überprüfen. Er schätze, dass aus den USA für den beabsichtigten "regime change" und die direkte Unterstützung der rechten Opposition um Guaidó, Leopoldo López und Julio Borges bisher mindestens eine Milliarde US-Dollar geflossen seien. Auch Kongressabgeordnete aus den USA sollten den Hintergründen dieser Gelder nachgehen, so die Bitte von Maduro.
Dass zumindest Teile der Rechtsaußen-Opposition überlegen, nach dem Boykott der Parlamentswahlen doch bald wieder an Wahlen teilzunehmen, deutete bereits in der vergangenen Woche der ehemalige Präsidentschaftskandidat Henrique Capriles gegenüber der BBC an (amerika21 berichtete).
Zuletzt teilte auch die UNO-Menschenrechtskommissarin, Michelle Bachelet, mit, dass sie Informationen habe, wonach die Boykott-Parteien bei den Regionalwahlen im kommenden Jahr teilnehmen wollten. Ihr gegenüber sei erklärt worden, dass es die "Priorität [der Parteien] sein wird, eine echte Opposition zu werden und für gute Ergebnisse bei diesen Wahlen zu arbeiten".