Nicaragua / Politik

Werden in Nicaragua Kandidaten der Opposition von Wahlen ausgeschlossen?

Regelung gilt Befürwortern von Staatsstreichen, ausländischer Einmischung und Sanktionen. Kritik von Oppositionsbündnissen, USA, OAS und EU

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Mit den Stimmen der 70 FSLN-Abgeordneten wurde das Gesetz am 21. Dezember vom Parlament beschlossen
Mit den Stimmen der 70 FSLN-Abgeordneten wurde das Gesetz am 21. Dezember vom Parlament beschlossen

Managua. Die Nationalversammlung in Nicaragua hat ein "Gesetz zur Verteidigung der Rechte des Volkes auf Unabhängigkeit, Souveränität und Selbstbestimmung für den Frieden" verabschiedet. Es soll Personen, die sich an einem Putschversuch im Land beteiligt haben oder die Sanktionen ausländischer Regierungen einfordern, von der Kandidatur zu Wahlen ausschließen. Für das Gesetz stimmten die 70 Abgeordneten der regierenden Sandinistischen Nationalen Befreiungsfront (Frente Sandinista de Liberación Nacional, FSLN) , dagegen 14 und fünf enthielten sich.

Im Artikel 1 des Gesetzes 1055 heißt es, dass Nicaraguaner, die einen Staatsstreich anführen oder finanzieren, um die verfassungsmäßige Ordnung zu verändern, zu terroristischen Handlungen, zur ausländischer Einmischung in innere Angelegenheiten oder zu einer militärischen Intervention aufrufen, nicht gewählt werden können. Das Gesetz selbst regelt keine Verfahren für Ausschlusskriterien und Einspruchsmöglichkeiten.

In der Debatte zur Verabschiedung wurde Bezug zu dem Umsturzversuch 2018 genommen, als bei Protesten gegen die Regierung bei gewaltsamen Straßensperren und der staatlichen Reaktion nach weit auseinandergehenden Angaben zwischen 200 und mehr als 500 Personen, Demonstrierende, Regierungsanhänger, Sicherheitskräfte und Unbeteiligte zu Tode kamen.

In Stellungnahmen verurteilten die Oppositionsbündnisse Alianca Cívica und Unidad Nacional Azul y Blanco (Unab) die neue Norm scharf.

Juan Sebastián Chamorro, Chef der Alianza, erklärte, es handle sich um einen weiteren Schritt, "den Kreis um die Oppositionellen zu schließen". Dies werde eine internationale Antwort nach sich ziehen und "schwerwiegende Folgen für Nicaragua in der Zukunft" haben, da neue Sanktionen zu erwarten seien, warnte er. Die USA, das spanische Parlament, die Europäische Union (EU) und die Organisation Amerikanischer Staaten (OAS) hätten sich zu der "sehr ernsten Situation" geäußert. Die Regierung von Präsident Daniel Ortega handle gegen die Resolution der OAS-Generalversammlung vom vergangenen Oktober, in der sie aufgefordert wurde, Verhandlungen mit allen Oppositionsgruppen über Wahlreformen zu führen. Das Bündnis werde weiter dafür kämpfen, so Chamorro.

Nach Auffassung der Unab zeige das Gesetz "die Angst des Regimes, durch zivile und friedliche Mittel entmachtet zu werden". Man habe bereits "Mechanismen aktiviert, um die internationale Gemeinschaft über diese Gesetze zu informieren und sie anzuprangern", heißt es in der Erklärung weiter. Ortegas Ziel sei es, an der Macht zu bleiben, "und dafür will er bei den für den 7. November 2021 angesetzten Wahlen den politischen Wettbewerb und die Oppositionssektoren, die eine echte Bedrohung für seine Ambitionen darstellen, komplett aushebeln", so die Unab weiter.

Die Oppositionszeitung La Prensa veröffentlichte einen langen Artikel zu dem Regelwerk mit der Überschrift, dass die Opposition auf das Inkrafttreten des Gesetzes reagiere, zitierte darin aber nur Stellungnahmen der OAS und der EU. Der Generalsekretär der OAS, Luis Almagro, erklärte, dass "dem nicaraguanischen Volk das Recht verweigert wird, seine Vertreter frei zu wählen". Die Wahl 2021 würden "in eine Zumutung statt in eine Wahl verwandelt". Und Der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell verlautbarte, dass "die Verschlechterung der Demokratie und der Menschenrechte in Nicaragua" weitergehe.

Im oppositionsnahen nicaraguanischen Online-Magazin Confidencial sagte der liberale Politiker Eliseo Núñez, die Oppositionsgruppen müssten daran arbeiten, "in einem partizipativen Prozess ihre Kandidaten für die Präsidentschaft und das Parlament auszuwählen". Nur so werde eine Beteiligung der Bevölkerung gelingen, damit die Kandidaten auch den notwendigen Rückhalt erhielten und nicht durch die Vorgaben oder Gesetze von Ortega bestimmt würden.

Die Konflikte unter den verschiedenen Parteien und Oppositionsgruppen scheinen indes aber das zentrale Problem der Regierungsgegner in Nicaragua zu sein. Obwohl die Wahlen im November 2021 stattfinden werden und der Begriff der Einheit häufig gebraucht wird, ist nach mehreren Austritten und internen Konflikten aktuell nicht klar, wer überhaupt  zum Oppositionsbündnis gehört. Es gibt viele sich selbst anbietende Kandidaten für die Präsidentschaft, eine nachvollziehbare Form, wie geeignete Kandidaten bestimmt werden könnten, ist jedoch nicht erkennbar.

Die Sensibilität der Oppositionellen für die Wählerschaft scheint gering zu sein. Die aktuell von ihnen mitbetriebene Kampagne, nicaraguanisches Rindfleisch in den USA als "Konfliktfleisch" zu brandmarken, sollen die Exporteinnahmen des Landes und die Regierung unter Druck setzen. Die Kampagne stellt jedoch eine Gefahr für den Lebensunterhalt von etwa 140.000 Produzenten und 600.000 Arbeitern dar. Bisher galten die Rinderzüchter in Nicaragua nicht als sandinistische Stammwähler und waren politisch eher konservativeren Parteien zugerechnet worden.

Mit dem Setzen auf Sanktionen und internationalen Druck erscheint es fraglich, ob die Oppositionsbewegung Wahlerfolge erreichen kann.