Caracas. Am gestrigen Dienstag ist in Venezuela die neue Nationalversammlung, das Parlament des südamerikanischen Landes, zu ihrer konstituierenden Sitzung zusammengetreten. Am 6. Dezember des vergangenen Jahres waren die 227 Abgeordneten für eine fünfjährige Legislaturperiode gewählt worden.
Die Sitzung wurde traditionell vom ältesten Abgeordneten, Fernando Soto Rojas, geleitet. In ihrem ersten Akt wählten die Abgeordneten den Politiker von der regierenden Vereinten Sozialistischen Partei (PSUV), Jorge Rodríguez, zum Parlamentspräsidenten sowie die PSUV-Politikerin Iris Varela zur Vizepräsidentin. Deren Amtszeit läuft auf ein Jahr.
Der prominente PSUV-Politiker Diosdado Cabello sprach von einem "historischen Tag". Damit ende eine Zeit, in der "die Nationalversammlung als Speerspitze benutzt wurde, um unserem Volk zu schaden, um das Land an das Imperium und seine Verbündeten zu verkaufen", so Cabello.
Ein großer Teil der Opposition hatte zum Boykott der Parlamenswahlen im Dezember aufgerufen. An dem Urnengang beteiligten sich 31 Prozent der Wahlberechtigten. Das Bündnis der Regierung von Präsident Nicolás Maduro errang dabei eine deutliche Mehrheit.
Seit sich Oppositionsführer Juan Guaidó im Januar 2019 zum "Interimspräsidenten" von Venezuela ausgerufen hatte, wurde er als solcher international von den USA und mehr als 50 verbündeten Regierungen, darunter auch von Deutschland und der Europäischen Union (EU) sowie mehreren lateinamerikanischen Ländern, anerkannt. Sein Amt als früherer Parlamentspräsident diente bei der völkerrechtlich nicht gedeckten Anerkennung eines selbsternannten Staatschefs als Rechtfertigung. Seit Januar 2020 arbeiteten sogar zwei Parlamente im Land parallel, nachdem es zu einer Spaltung gekommen war. Guaidó stand nach wievor dem einen vor, dem oppositionelle Parlamentarier angehörten, Luis Parra dem anderen. Dieser war durch regierungsnahe Abgeordnete ebenfalls zum Parlamentspräsidenten gewählt worden (amerika21 berichtete).
Guaidó bemüht sich nach den Neuwahlen nun darum, dass seine Position weiterhin international anerkannt bleibt. Im Land selbst ist sein Einfluss jedoch stark zurückgegangen. Seine parallele Nationalversammlung hatte jüngst ihr Mandat und das ihres Präsidenten "bis zu freien, gerechten und transparenten Wahlen" verlängert. Venezuelas Oberster Gerichtshof erklärte diesen Schritt jedoch für ungültig.
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Indes haben bereits vor der Einsetzung des neuen Parlaments mehrere Abgeordnete des Guaidó-Lagers ihren Rückzug erklärt. Zu diesem Schritt entschlossen sich unter anderen Stalin González von der Partei "Un Nuevo Tiempo", Marialbert Barrios von "Primero Justicia" und Dennis Fernández von "Acción Democrática".
In den Reihen der Opposition befürchtet man weitere Rücktritte, auch weil die Bildung eines kleinen Entscheidungszirkels, der sogenannten Delegiertenkommission, innerhalb der Opposition auf Unbehagen stieß.
Bereits am Montag hatte das US-Finanzministerium, das die schweren einseitigen Sanktionen gegen Venezuela leitet, seine fortgesetzte Unterstützung für das Guaidó-Lager erklärt, indem es dieses von den Restriktionen ausnimmt. Das bedeutet, dass die Opposition weiter Gelder aus den in den USA blockierten Vermögenswerten des venezolanischen Staates erwarten kann. Auch Kanada kündigte durch seinen Außenminister François-Philippe Champagne an, das von Guaidó geleitete parallele Parlament weiterhin anzuerkennen. Japan äußerte sich in gleicher Weise. Von der EU liegt bislang keine Stellungnahme vor.
Allerdings könnte der internationale Rückhalt mittelfristig infrage stehen. Die große spanische Zeitung El País veröffentlichte eine Analyse über die "gescheiterte" Strategie Guaidós und resümierte, es werde "sehr einsam" um ihn. Bermerkenswert ist auch eine wenige Tage vor der Konstituierung des neuen venezolanischen Parlaments erschienene Reportage in der renommierten Washington Post über neue Korruptionsvorwürfe gegen das enge Umfeld Guaidós.
Am Tag der Einberufung der neuen Nationalversammlung haben sich in Venezuela heftige Stromausfälle ereignet. Die Regierung stufte diese als "neue Angriffe" auf die Stromversorgung des Landes ein.