López Obrador schlägt in Mexiko Referendum über Abtreibungsrecht vor

Frauenkollektive halten Referendum für "falschen Weg". Viele Frauen jedoch wegen unerlaubter Abtreibungen im Gefängnis

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Wird der Schwangerschaftsabbruch auch in Mexiko bald legal?
Wird der Schwangerschaftsabbruch auch in Mexiko bald legal?

Mexiko-Stadt. Präsident Andrés Manuel López Obrador (Amlo) hat vorgeschlagen, über die Legalisierung der Abtreibung in Mexiko in einem Referendum abstimmen zu lassen. Die Legalisierung des Schwangerschaftsabbruchs bis zur 14. Woche in Argentinien Ende Dezember hatte in verschiedenen lateinamerikanischen Ländern eine erneute Debatte über die reproduktiven Rechte von Frauen angestoßen, so auch in Mexiko.

Bisher sind Abtreibungen in den meisten mexikanischen Bundesstaaten lediglich nach einer Vergewaltigung oder etwa bei Gefahr für das Leben der Mutter möglich. Nur in der Hauptstadt und im südwestlichen Bundesstaat Oaxaca sind sie ohne Angabe von Gründen bis zur 12. Schwangerschaftswoche erlaubt.

López Obrador gilt zwar als linksorientierter Politiker, ist selbst jedoch bekennend religiös und hat mehrere evangelikale Regierungsberater. Obwohl Feministinnen ihn immer wieder aufgefordert haben, Stellung zu beziehen, wich er der Frage nach dem Schwangerschaftsabbruch schon in den Wahlkämpfen 2017 und 2018 aus, indem er auf die Möglichkeit einer Volksabstimmung verwies.

In einer Pressekonferenz kurz nach der Abstimmung in Argentinien schlug er nun vor, dass die Frauen eine solche beantragen könnten: "Unsere Verfassung ermöglicht das", sagte er. "Die Entscheidung kann verbindlich sein und dazu führen, dass die Gesetze verändert werden." Der Präsident mahnte jedoch, in diesen Prozess dürften keine "Machtstrukturen weder der Regierung noch der Kirchen" eingreifen. "Es sollen die Frauen sein, die entscheiden", erklärte er. Eine Entscheidung, die den Körper der Frauen betreffe, dürfe nicht von oben getroffen werden.

Frauenkollektive im Land kritisierten indes die Ankündigung. Sie halten eine Volksabstimmung über ein so politisch und religiös aufgeladenes Thema für den falschen Weg. Das verschärfe "den Diskurs und verleitet zu der Annahme, die Menschenrechte seien verhandelbar", erklärte Yunitzilim Pedraza vom Kollektiv "Marea Verde" in Quintana Roo dem Portal Desinformemonos. Abtreibung in ganz Mexiko zu legalisieren würde keine Frau dazu zwingen, eine Schwangerschaft abzubrechen, so die Aktivistin. Der Schritt schaffe lediglich die Rahmenbedingungen, damit in Not geratene Frauen ohne Komplikationen oder Angst vor Repressalien den Eingriff in Gesundheitszentren durchführen lassen könnten.

Nach Ansicht der politischen Koordinatorin der Organisation Gire (Grupo de Información en Reproducción Elegida), Rebeca Lorea, reproduziere der Vorschlag des Präsidenten die aktuellen Gepflogenheiten, "dass andere entscheiden, was eine Frau zu tun hat. Das Gesetz muss geändert werden, damit jede Frau je nach ihren spezifischen Umständen, Werten, Glauben und Lebensplänen über ihre Zukunft entscheiden kann, ohne kriminalisiert zu werden".

Bis heute sitzt eine unbekannte Zahl von Frauen in Mexiko wegen Delikten im Zusammenhang mit Schwangerschaftsabbrüchen im Gefängnis. Die Frauenorganisation Las Libres zählte zwischen 2000 und 2017 200 Fälle. Die Mehrheit der Frauen wurde allerdings nicht wegen Abtreibung verurteilt, sondern wegen Mordes: Staatsanwaltschaften warfen ihnen vor, einen Abbruch oder eine Frühgeburt gewollt herbeigeführt zu haben. In zahlreichen Bundesstaaten werden auch heute noch Ermittlungen wegen Schwangerschaftsabbruchs eröffnet; die Nachrichtenorganisation Cimac zählte allein für 2020 434 offene Verfahren.

Und obwohl in allen Bundesstaaten eine Abtreibung nach einer Vergewaltigung legal ist, gerät der Gang durch die Institutionen für die ungewollt Schwangeren oft zur erneuten Tortur. Sie müssen vor unsensiblen Bürokraten und Gesundheitspersonal ihre Vergewaltigungsgeschichte erzählen, um eine offizielle Genehmigung zu erhalten. Das medizinische Personal hat das Recht, "aus Gewissensgründen" eine Abtreibung zu verweigern, wovon beispielsweise katholische Ärzt:innen auch Gebrauch machen.

"In vielen Bundesstaaten ignorieren die Behörden die Frauen weiterhin", erkannte die Vorsitzende des Gleichstellungsausschusses im mexikanischen Senat, Malú Mícher, auf Twitter an. Sie plädiert wie andere prominente Politikerinnen von Amlos Morena-Partei dafür, 2021 zum Jahr der reproduktiven Rechte in Mexiko werden zu lassen. Ein Referendum erwähnte sie dabei nicht.