Bolivien / Politik

Starke Verluste der Regierungspartei MAS bei Regionalwahlen in Bolivien

Auszählungen dauern weiter an. Parteienlandschaft hat sich aufgefächert. Kleinere linke Parteien erobern wichtige Ämter

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Verantwortlicher der Wahlkampagne und Parteivorsitzender der MAS, Evo Morales, hat sein Ziel verfehlt
Verantwortlicher der Wahlkampagne und Parteivorsitzender der MAS, Evo Morales, hat sein Ziel verfehlt

La Paz et al. Am vergangenen Sonntag waren über sieben Millionen Menschen in Bolivien aufgerufen, ihre Stimme für Gouverneur:innen und Abgeordnete der Regionalparlamente in den neun Departamentos sowie für die Bürgermeister:innen und Stadträte in den Gemeinden abzugeben. Die amtierende Regierungspartei der Bewegung zum Sozialismus (Movimiento al Socialismo, MAS) gilt als Verliererin der Regionalwahlen.

Im Vergleich zu den nationalen Wahlen 2020 verliert die MAS 20 Prozent der Wählergunst. Die Ergebnisse zeigen eine Auffächerung des Parteienspektrums im Vergleich zum Parlament. So konnten kleinere linke Parteien wichtige Ämter für sich entscheiden. Die rechte Opposition zur MAS gewinnt wenig überraschend in ihren Hochburgen. "Die politische Hegemonie der MAS wurde nicht außer Kraft gesetzt, aber sehr wohl geschwächt. Die Partei wird den Staat auf regionaler Ebene nur begrenzt kontrollieren", so die Einschätzung des Soziologen Franco Gamboa. Die neu gewählten Vertreter:innen werden ihre Ämter für die kommenden fünf Jahre innehaben.

Auch wenn die offiziellen Resultate noch nicht vollständig vorliegen und die Auszählungen weiter andauern, lassen sich einige Tendenzen bereits deutlich erkennen. Die MAS wird wohl weiterhin die Regierung der Departamentos Cochabamba, Oruro und Potosí stellen. Allerdings erzielte sie nirgendwo die überwältigende Mehrheit wie noch bei den Nationalwahlen. In den kleineren Tieflanddepartamentos Pando und Tarija sowie in La Paz und Chuquisaca wird es voraussichtlich eine Stichwahl geben.

Beni und Santa Cruz hingegen sind bereits eindeutig zuungunsten der MAS entschieden. In Santa Cruz erhielt ersten Auszählungen zufolge der rechte Regionalpolitiker Luis Fernando Camacho von "Wir glauben" mehr als doppelt so viele Stimmen im Vergleich zum MAS-Kandidaten. Camacho war zuletzt bei den Präsidentschaftswahlen im Oktober 2020 erfolglos gegen den MAS-Kandidaten Luis Arce angetreten.

Das kleine Departamento Beni sorgte für Überraschungen. Hier gewann der Zahnarzt Alejandro Unzueta von der "Bewegung Drittes System" (Movimiento Tercer Sistema, MTS) den Gouverneursposten. Die linke MTS wurde 2010 vom amtierenden Gouverneur von La Paz, Félix Patzi, gegründet. Der Aymara Patzi setzte sich stets für indigene Belange ein und war während der ersten Regierungsperiode von Evo Morales Bildungsminister. Der neu gewählte Unzueta gewann mit deutlichem Vorsprung gegen die Ex-Präsidentin der Interimsregierung von 2019 bis 2020, Jeanine Áñez. Damit hat der Verantwortliche der Wahlkampagne und Parteivorsitzender der MAS, Evo Morales, sein Ziel verfehlt, acht der neun Gouverneur:innen zu stellen.

Im Gegensatz zum rechten Camacho in Santa Cruz ist Unzueta weit davon entfernt, in Radikalopposition zur Zentralregierung zu treten. "Zu keinem Zeitpunkt werde ich ein Gegner der Bewegung zum Sozialismus sein. Luis Arce ist unser Präsident. Wir werden zusammenarbeiten, um gemeinsame Projekte für meine Region in die Tat umzusetzen", stellte er gegenüber dem Fernsehsender Red Uno klar. Seine Partei stellt auch die Bürgermeister:innen von Trindidad und Cobija, Hauptstädte der Amazonasdepartamentos. Damit hat die Partei ihren Aktionsradius auf das Tiefland Boliviens ausgeweitet.

Auch im Hochland bekommt die MAS von linken Parteien Konkurrenz. Die indigene Partei "Jallala" hat erwartungsgemäß mit Eva Copa das Rennen um die Stadtverwaltung der Millionenstadt El Alto für sich entschieden. Die junge Politikerin war ehemalige Senatspräsidentin für die MAS in der vorangegangenen Amtsperiode.

Damit sieht sich die MAS zunehmend linken Wahlalternativen gegenüber. Laut Gamboa "hat die MAS das Monopol der Linken schlechthin verloren". Es gäbe linke, eher indigenistische Positionen, die unabhängig von der Partei sind. Der Politikwissenschaftler Carlos Börth hingegen zweifelt daran, dass "die MAS die Kontrolle über die Linke Boliviens verliert". Vielmehr konstatiert er "Prozesse der Differenzierung und interner Brüche" innerhalb der Partei.

Neben den Gouverneur:innen, die über weitgehende Entscheidungskompetenzen verfügen, gelten die Bürgermeister:innen der Hauptstädte der Departamentos als wichtige Dialogpartner:innen bei der Umsetzung politischer Entscheidungen der Zentralregierung. Hier muss Präsident Arce mit Gegenwind rechnen. Der Unternehmer Manfred Reyes Villa, dessen Nominierung wegen eines anhängigen Gerichtsverfahrens lange Zeit fraglich war, wird Bürgermeister von Cochabamba. Auch in Santa Cruz liegt die MAS weit zurück. Santa Cruz bleibt damit fest in den Händen der Opposition. Das gilt ebenfalls für die Stadtverwaltung in Tarija. Hier heißt der neue Bürgermeister Johnny Torres von der Partei "Vereint für Tarija" (Unidos por Tarija). Mit über 50 Prozent der Stimmen erreichte er mehr als doppelt so viel Zuspruch wie sein Kontrahent von der MAS. Ebenso werden Potosí und La Paz von anderen Parteien regiert – in La Paz mit Iván Arias sogar ein ehemaliger Minister der De-facto-Regierung Áñez. Lediglich Sucre und Oruro hat die MAS knapp für sich entscheiden.

Nach den Stimmenverlusten rumort es innerhalb der MAS. Der Parlamentsabgeordnete Andrés Flores machte die "Launen" einiger Parteiführer:innen bei der Nominierung der Kandidat:innen für die Niederlage verantwortlich. Sie hätten per Fingerzeig entschieden, ohne einen internen Diskussionsprozess zu führen. Der Senatspräsident der MAS, Andrónico Rodríguez, sagte zu den Ergebnissen: "Diese Wahlen fordern uns zur Selbstkritik auf und verlangen eine Berichtigung zahlreicher Fehler innerhalb der MAS. Es gab Fehleinschätzungen und Irrtümer, die wir auf den anstehenden Treffen und Kongressen verhandeln werden."

Neben der MAS muss die Bürgergemeinschaft (Comunidad Ciudadana, CC), stärkste Oppositionsfraktion im Parlament, eine herbe Niederlage einstecken. Sie könnte lediglich die Regierung der Stadt Santa Cruz stellen, wo die Stimmauszählung noch anhält. Ansonsten bleibt sie auf regionaler Führungsebene unbedeutend.