Unstimmigkeiten auf Mercosur-Gipfel zum 30. Jubiläum

Konflikte zwischen rechten und linken Regierungen über Zollsenkungen. Mitglieder fordern mehr interne und externe Kooperation

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Am 26. März 1991 wurde mit dem Vertrag von Asunción der Grundstein für den Mercosur gelegt.
Am 26. März 1991 wurde mit dem Vertrag von Asunción der Grundstein für den Mercosur gelegt.

Buenos Aires.  Die Wirtschaftsgemeinschaft Mercosur (Mercado Común del Sur, Gemeinsamer Markt des Südens) hat ihr 30-jähriges Bestehen gefeiert. Mit einem virtuellen Gipfel am vergangenen Freitag begingen die Teilnehmer das Jubiläum der Ratifizierung des Vertrags von Asunción. Trotz feierlichem Anlass kam es zu Konflikten zwischen den Teilnehmern. Brasilien, Paraguay und Uruguay forderten flexiblere Regeln im Block für die aktuell einheitlichen Handelsabkommen und Außenzölle.

Brasiliens Präsident Jair Bolsonaro, unterstützt von seinem uruguayischen Amtskollegen, Luis Lacalle Pou, begründete die Flexibilisierung mit der Wirtschaftskrise durch die Covid-19-Pandemie. Es sei nötig, "Investitionen anzuziehen". In diesem Zusammenhang verbündete er sich zudem mit Lacalle Pou, indem er erwähnte, dass die Konsensregel nicht in "ein Vetoinstrument oder eine permanente Bremse" für die Entscheidungen des Blocks umgewandelt werden könne.

Argentiniens Präsident Alberto Fernández hingegen warnte, dass er nicht glaube, "dass eine teilweise Senkung des gemeinsamen Außenzolls, linear für das gesamte Tarifuniversum, das beste Instrument ist angesichts der Möglichkeit neuer Abkommen mit anderen Ländern". Jedoch zeigte er sich bereit, das Thema beim nächsten Gipfel zu diskutieren und fügte hinzu, dass es nicht die Zeit sei für individuelles Handeln.

Einen Kernkonflikt in diesem Zusammenhang gab es zwischen Fernández und Lacalle Pou. Letzterer sagte, dass die Organisation des Mercosur kein "Korsett" für das eigentlich hohe wirtschaftliche Gewicht des Blockes sein sollte. Fernández erwiderte, dass sie "niemandem zur Last fallen wollen", denn eine Last sei etwas, "das einen vom Boot wirft, und am einfachsten ist es, das Boot zu verlassen, wenn die Last zu schwer ist". Er fügte jedoch hinzu, dass es für ihn dennoch eine Ehre sei, Teil des Mercosur zu sein.

Weitere angesprochene Themen waren eine Initiative der Pro-Tempore-Präsidentschaft Argentiniens, jeweils eine Beobachtungsstelle für die Qualität der Demokratie, der Umwelt und Gewalt gegen Frauen einzurichten. Zudem bedankte sich der argentinische Präsident bei den Mercosur-Staaten für deren Unterstützung in Bezug auf die Souveränität der Malvinas (Falkland-Inseln) und dem daraus resultierenden Streit mit Großbritannien.

Darüber hinaus präsentierte der argentinische Außenminister Felipe Solá das neue "Bürgerstatut" (Estatuto de Ciudadanía), das Mercosur-Bürgern unter anderem ermöglichen soll, vereinfacht ein Aufenthaltsrecht in einem anderen Staat, Zugang zu einer formalen Arbeit, einem Studium, gleiche Rechte wie Staatsangehörige und die Anerkennung eines im Herkunftsland gültigen Schulabschlusses zu erhalten.

Paraguays Präsident, Mario Abdo Benítez, nutzte den Gipfel außerdem, um sich zum ersten Mal öffentlich über die geringe Liefermenge von Corona-Vakzinen an sein Land zu beschweren. "Ich möchte betonen, wie wichtig es ist, eine starke und einheitliche Position für die Beschaffung von Covid-19-Impfstoffen zu haben", so Abdo Benítez. Er betonte dabei auch, dass Verhandlungen generell nicht ideologisch geführt werden sollten.

Die zum Gipfel eingeladenen Präsidenten der assoziierten Staaten des Mercosur, Bolivien und Chile, äußerten sich ebenso. Boliviens Präsident Luis Arce bekräftigte seinen Antrag auf die Aufnahme seines Landes als vollwertiges Mitglied des Blocks. Er betonte,  Bolivien werde "zur Integration des südamerikanischen Kontinents beitragen und das Zusammenwachsen des Mercosur mit dem Pazifik fördern". Die Aufnahme hängt nur noch vom brasilianischen Senat ab.

Chiles Präsident Sebastián Piñera hob die wirtschaftliche Wichtigkeit des Mercosur für Chile hervor. Außerdem setzte er sich für eine stärkere Integration zwischen dem Mercosur und der Pazifikallianz ein, der Kolumbien, Chile, Mexiko und Peru angehören.

Der Mercosur wurde im Jahr 1991 in Paraguays Hauptstadt Asunción mit den Zielen der Schaffung von Zollverringerungen, eines gemeinsamen Marktes und des freien Verkehrs von Personen sowie mehr sozialer Gleichheit gegründet. Im Laufe der Jahrzehnte wurden zwar viele Fortschritte in der Integration der Staaten erzielt, jedoch wurden wichtige Meilensteine nicht erreicht. Dazu gehört zum Beispiel ein ausstehender Abschluss eines Freihandelsabkommens mit der Europäischen Union. Für Probleme sorgten vor allem verschiedene Wirtschaftskrisen in den Mitgliedsstaaten sowie politisch begründete Konflikte zwischen den Regierungen. So wurde das sozialistisch regierte Venezuela im Dezember 2016 aus dem Mercosur ausgeschlossen worden.