Chile: Kampagne für Freiheit der politischen Gefangenen aus den sozialen Protesten

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"Politische Gefangene raus auf die Straße"
"Politische Gefangene raus auf die Straße"

Santiago. Seit dem Beginn des "Estallido Social" (sozialer Aufstand) in Chile im Herbst 2019 sind rund 2.500 Demonstrant:innen festgenommen worden. Unter ihnen sind über 100 Minderjährige, die in einigen Fällen in Haftanstalten für Erwachsene sitzen. Einige der Festgenommenen warten seit mehr als einem Jahr auf ihren Prozess. Ihnen droht etwa beim Vorwurf des Besitzes von Molotowcocktails eine Haftstrafe zwischen drei und zehn Jahren.

Für ihre Freilassung setzt sich inzwischen eine breite Kampagne aus verschiedenen Bereichen der Gesellschaft ein. Entgegen der Behauptung des Regierungssprechers, Jaime Bellolio, es gebe nur Gefangene, die schwere Straftaten begangen hätten, werfen Organisationen von Angehörigen der Festgenommenen in einem offenen Brief der Regierung von Präsident Sebastian Piñera vor, die sozialen Proteste zu kriminalisieren und die Demonstrant:innen unter Druck zu setzen. Die Maßnahmen dazu seien unter anderem streng kontrollierter Hausarrest, Untersuchungshaft, Verlängerung von Haftmaßnahmen und wiederholte Verzögerungen von Prozessen.

Die Kampagne solidarisiert sich unter anderem mit dem 20-jährigen Freedom Astorga, der ohne jegliche Beweise beschuldigt wird, während der Proteste einem Carabinero die Waffe entwendet zu haben. Astorga ist seit einem Jahr in Untersuchungshaft und wurde nach eigenen Angaben gefoltert. Er befindet sich seit dem 5. März im Hungerstreik, um die Entlassung aus der Haft zu erzwingen. Seit dem 22. März haben sich weitere Gefangene aus der Revolte dem Streik angeschlossen.

Ebenso setzen sich Jugendliche, Studierende und Arbeiter:innen aus verschiedenen Regionen des Landes mit einer Fotokampagne für die Freilassung der Anthropologiestudentin Tania Sampson ein. Sie wurde bei den Protesten zum Frauentag im vergangenen Jahr von Carabineros festgenommen und befindet sich nach einigen Monaten Haft im Hausarrest, wo sie auf ihren mehrfach verschobenen Prozessbeginn wartet.

Wie der Jesuitenpater Felipe Berrios hervorhebt, dienten die Maßnahmen der Regierung einzig dem Zweck, die vorwiegend jugendlichen und jungen Festgenommenen für die Eskalation der Gewalt bei den sozialen Protesten verantwortlich zu machen und als Kriminelle zu beschuldigen. Jedoch seien die Mehrheit der 2.500 der in Untersuchungshaft sitzenden politischen Gefangenen Studierende oder Arbeiter:innen, die nicht verurteilt werden, weil es an schlüssigen Beweisen fehlt.

Verantwortliche für die Verbrechen seitens Armee und Carabineros während der ersten Protestmonate hingegen ‒ bei denen es fast 30 Tote und über 400 an den Augen schwer verletzte Demonstranten gab ‒ wurden bis heute gar nicht belangt oder wie etwa der damalige Innenmenister Andrés Chadwick nur für fünf Jahre von politischen Ämtern ausgeschlossen.