Kuba / Politik

"Parteitag der Kontinuität" in Kuba abgeschlossen

Selbstkritische Bilanz im Rechenschaftsbericht. Castro: Kuba bereit zu respektvollem Dialog und einer neuen Art von Beziehungen zu den USA. Wirtschaftskrieg muss beendet werden

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Miguel Díaz-Canel ist der neue Erste Sekretär der Kommunistischen Partei Kubas
Miguel Díaz-Canel ist der neue Erste Sekretär der Kommunistischen Partei Kubas

Havanna. Auf Kuba ist am Montag der 8. Parteitag der Kommunistischen Partei (PCC) zu Ende gegangen. Mit dem Rückzug Raúl Castros von der Spitze der Partei schieden auch die anderen beiden verbliebenen Vertreter der historischen Generation aus dem Politbüro aus, zu dessen neuem Ersten Sekretär der 60-jährige Miguel Díaz-Canel gewählt wurde. Damit ist der 2016 gestartete Prozess der "geordneten Übergabe" der Spitzenfunktionen in Staat und Partei abgeschlossen.

Der unter dem Motto "Parteitag der Kontinuität" tagende Kongress verabschiedete darüber hinaus mehrere Resolutionen, mit denen die wichtigsten Leitdokumente der Wirtschafts- und Sozialpolitik des Landes sowie zur Arbeit der Partei aktualisiert wurden.

Mit rund 300 Delegierten fand der alle fünf Jahre tagende Parteitag dieses Mal pandemiebedingt in reduzierter Besetzung statt.

Zentraler inhaltlicher Beitrag war der Rechenschaftsbericht Raúl Castros, mit dem der 89-jährige am Freitag selbstkritisch Bilanz über die vergangenen Jahre zog. Trotz der 240 neuen Maßnahmen, mit denen die USA ihre Wirtschaftsblockade gegen die Insel erweiterten, sei es gelungen, "die wichtigsten Errungenschaften der Revolution in den Bereichen öffentliche Gesundheit, Bildung und soziale Sicherheit" aufrechtzuerhalten und der Pandemie die Stirn zu bieten. Dies sei nur in einer sozialistischen Gesellschaft mit "universellem, kostenlosen Gesundheitssystem" möglich, sagte Castro.

Auf wirtschaftlichem Gebiet seien die Ergebnisse der vergangenen Jahre nicht zufriedenstellend. Castro nannte Phänomene wie exzessive Bürokratie, mangelhafte Kontrolle der Ressourcen, Korruption und illegale Verhaltensweisen: "Die strukturellen Probleme unseres Wirtschaftsmodells, das keine ausreichenden Anreize für Arbeit und Innovation bietet, sind nicht verschwunden." Um diesen Zustand zu ändern, müsse die laufende Aktualisierung des Modells "dynamischer" vonstatten gehen, der Plan stärker mit der Autonomie der Unternehmen in Übereinstimmung gebracht werden, ausländische Investitionen gefördert und private Eigentums- und Managementformen "flexibilisiert und institutionalisiert" werden. Kern des neuen Wirtschaftsmodells bleibt das sozialistische Staatsunternehmen, welches allerdings deutlich eigenständiger agieren soll. Die Betriebe müssten alte Gewohnheiten ablegen und "Trägheit, Konformismus, Mangel an Initiative sowie das bequeme Warten auf Anweisungen von oben" überwinden.

Scharf kritisierte Castro, dass nach der Ankündigung, sämtliche Berufe mit Ausnahme einer Negativliste für den Privatsektor zu erlauben, in Teilen der Bevölkerung noch vor der Umsetzung Rufe nach einer weitergehenden Öffnung laut wurden: "Es scheint, dass Egoismus, Gier und der Wunsch nach höheren Einkommen einige Menschen dazu ermutigen, den Beginn eines Privatisierungsprozesses zu wünschen, der die Grundlagen und das Wesen der sozialistischen Gesellschaft […] hinwegfegen würde."

Mit Blick auf sein Vermächtnis stellte Castro klar: "Es gibt Grenzen, die wir nicht überschreiten können, weil die Folgen unumkehrbar wären und zu strategischen Fehlern und der Zerstörung des Sozialismus […] führen würden." Entscheidungen auf wirtschaftlichem Gebiet dürften "auf keinen Fall einen Bruch mit den Idealen der Gerechtigkeit und Gleichheit der Revolution" hervorrufen. Das vorherrschende gesellschaftliche Eigentum der grundlegenden Produktionsmittel bilde die Basis der sozialistischen Gesellschaft, der Staatssektor müsse diese Rolle jedoch durch praktische Ergebnisse behaupten.

Castro verteidigte die 2019 begonnene Teil-Dollarisierung des Handels. Der akute Mangel an Devisen mache es erforderlich, für die Zeit der wirtschaftlichen Erholung mit den Verkäufen in Fremdwährung fortzufahren. Die im Januar gestartete Währungsreform, mit der das Land nach über 30 Jahren wieder zu einer einzigen Landeswährung zurückkehrt, sei zwar keine "magische Lösung" für sämtliche ökonomischen Probleme, sie ermögliche jedoch "die Leistung der verschiedenen Wirtschaftsakteure zu ordnen und transparent zu machen" und schaffe neue Anreize für mehr produktive Beschäftigungsverhältnisse. Es sei notwendig, "die Vorstellung auszuradieren, dass Kuba das einzige Land ist, in dem man leben kann, ohne zu arbeiten. Der Lebensstandard und Konsum der Kubaner sollte durch das legale Einkommen bestimmt werden […], nicht durch übermäßige Subventionen und ungerechtfertigte Gratisleistungen", so Castro.

Mit Blick auf die USA forderte Castro das Ende der Blockade und den Beginn eines "respektvollen Dialogs". Er bekräftigte die Absicht, "eine neue Art von Beziehungen" aufzubauen. Diese könnten jedoch nicht auf der Annahme basieren, dass Kuba hierfür die Prinzipien der Revolution oder den Sozialismus aufgeben werde.

Ein wichtiges Thema auf dem Kongress, dessen inhaltliche Debatten in drei Arbeitsgruppen geführt wurden, war die Kaderpolitik und politische Arbeit der Partei. Die Massenorganisationen müssten wiederbelebt und ebenso wie die ideologische Arbeit der Partei "gemäß der heutigen Zeit" aktualisiert werden. Der seit 2006 zu verzeichnende Rückgang bei den Mitgliederzahlen der PCC konnte gestoppt werden.

Aktuell zählt sie 700.000 Mitglieder. In Zukunft soll dem Jugendverband wieder mehr Aufmerksamkeit zur Heranbildung neuer Kader gewidmet werden. Die Förderung von "Jugendlichen, Frauen, Schwarzen und Mulatten" sei bisher allerdings nur unzureichend vorangekommen, räumte Castro ein. Im neu gewählten Politbüro befinden sich statt vier jetzt nur noch drei Frauen, der Anteil Schwarzer Kader blieb gleich.

Mit dem Ausscheiden der "historicos" aus dem 14-köpfigen Gremium entfällt auch der Posten des Zweiten Sekretärs der Partei, den bisher der langjährige Stellvertreter Castros, José Ramón Machado Ventura, innehatte. Neu aufgenommen wurden unter anderem Premierminister Manuel Marrero Cruz und Innenminister Lázaro Álvarez Casas. Marino Murillo, der "Architekt der Währungsreform", wird ebenfalls nicht mehr im Zentralkomitee vertreten sein.

Díaz-Canel, der seit 2018 Präsident des Landes ist, bedankte sich nach seiner Wahl zum Generalsekretär für "das Beispiel und die Unterstützung" durch Castro. Es sei eine große Ehre, die Revolution fortsetzen zu dürfen. "Unsere Generation versteht die Verantwortung, die sie übernimmt", sagte Díaz-Canel.

Zugleich hob er die Aufgabe der Kommunistischen Partei hervor: "Das Revolutionärste innerhalb der Revolution ist und muss immer die Partei sein, so wie die Partei die Kraft sein muss, die die Revolution revolutioniert." In einer "authentischen Revolution" liege der Sieg im Lernprozess, so der neue Erste Sekretär: "Wir gehen keinen vorgegebenen Weg. Wir sind herausgefordert, ständig innovativ zu sein und alles zu ändern, was geändert werden muss, ohne unsere wichtigsten Prinzipien aufzugeben."