El Salvador / Politik

El Salvador: Präsident Nayib Bukele reißt dritte Staatsgewalt an sich

Verfassungsrichter abgesetzt. Oppositionelle prangern Putsch an. Breite inländische und internationale Kritik

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64 Parlamentarier haben für die Absetzung der Verfassungsrichter und 19 dagegen gestimmt
64 Parlamentarier haben für die Absetzung der Verfassungsrichter und 19 dagegen gestimmt

San Salvador. Das neue Parlament von El Salvador hat am Samstag bei seiner ersten Sitzung die Richter der Verfassungskammer des Obersten Gerichtshofs (CSJ) und den Generalstaatsanwalt abgesetzt. Organisationen der Zivilgesellschaft sehen die Entscheidung als Putsch. Das Parlament, in dem die Partei des aktuellen Präsidenten eine große Mehrheit hat, sichert diesem neben der Kontrolle der Exekutive und der Legislative nun auch weitgehend die Macht über die Judikative. Präsident Nayib Bukele hatte mehrmals den Verfassungsrichtern vorgeworfen, ihm Sonderbefüngnisse zur Bekämpfung der Pandemie zu entziehen.

64 Parlamentarier haben für die Absetzung der Verfassungsrichter und 19 dagegen gestimmt. Am Sonntag ernannte das Parlament neue Richter. Der Generalstaatsanwalt Raúl Melara wurde mit 64 Ja-Stimmen, 17 Nein-Stimmen, elf Enthaltungen und bei zwei Abwesenheiten entlassen. Danach hat das Parlament den Regierungsanhänger Rodolfo Delgado zum neuen Generalstaatsanwalt bestimmt. Seit den letzten Kongresswahlen im März stellt die Regierungspartei "Neue Ideen" (Nuevas Ideas) die Mehrheit im Parlament.

Die Parlamentarierin von Nuevas Ideas, Elisa Rosales, sprach von "klaren Beweisen" gegen die Verfassungsrichter. Sie hätten die Gesundheitsstrategie der Regierung behindert, gegen die Verfassung gehandelt und private Interessen über die Gesundheit und das Leben der Bevölkerung gestellt. Dem bisherigen Generalstaatsanwalt Melara warf die Regierung "Verbindungen" zur oppositionellen Nationalistischen Republikanischen Allianz (Arena) vor, was "seine Objektivität, Unabhängigkeit und Unparteilichkeit in Frage" stellen würde.

Die Verfassungskammer hatte im vergangenen Jahr mindestens 15 Verordnungen von Bukele blockiert, die er im Zusammenhang mit der Corona-Pandemie erlassen hatte. Bei den meisten Normen ging es um Notstandsregelungen, die die Repression gegen die Bevölkerung ausweiteten und immer mehr Bürgerrechte außer Kraft setzten. Auch das UN-Menschenrechtskommissariat kritisierte diese Maßnahmen der Regierung.

Laut der US-Organisation Washington Office on Latin American (Wola) hat Bukele die Entscheidungen der Richter verzerrt. Er habe "ein Narrativ konstruiert, das sie als Feinde der Bürger darstellt". Die Judikative war die einzige von Bukele unabhängige Kontrolle. Der Oberste Gerichtshof erklärte die Beschlüsse für verfassungswidrig. Es scheint sich ein Verfassungskonflikt zu entwickeln. Die Menschenrechtlerin Bessy Ríos erklärte, dass das Parlament mit zwei Drittel der Mehrheit CSJ-Richter tatsächlich legal ernennen oder absetzen kann.

Die beiden früheren Volksparteien, die rechtspopulistische "Nationalistische Republikanische Allianz" (Alianza Republicana Nacionalista, Arena) und die linke FMLN, kritisierten die Entwicklungen scharf. Arenas Vorsitzender, Erick Salguero, bezeichnete die Absetzungen als das Streben nach totaler Macht. Die FMLN richtete sich an die internationale Gemeinschaft und nannte sie einen Staatsstreich gegen die beginnende Demokratie, der mit legislativen Mitteln vollzogen wurde. Juan Gonzalez, der leitende Lateinamerika-Berater von US-Präsident Joe Biden, tadelte ebenso die Entscheidungen auf Twitter. Laut Human Rights Watch sind die neuen Entwicklungen ein Bruch der Rechtsstaatlichkeit und der Versuch, die Macht zu konzentrieren.