Pestizide und asymmetrische Handelsbeziehungen zwischen EU und Mercosur

Exilierte Expertin diskutiert über die Zirkulation der Pestizide. Weiter koloniale Muster. Linke EU-Parlamentarier:innen und NGOs dabei

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Chemiekonzerne profitieren von den geplanten Zollsenkungen von 14 auf null Prozent auf Exporte von Pestiziden in den Mercosur
Chemiekonzerne profitieren von den geplanten Zollsenkungen von 14 auf null Prozent auf Exporte von Pestiziden in den Mercosur

Brüssel. Morgen stellt die brasilianische Geographie-Professorin Larissa Bombardi ihre neue Studie über die Pestizidpolitik in den Handelsbeziehungen zwischen der Europäischen Union (EU) und dem südamerikanischen Wirtschaftsbündnis Markt des Südens (Mercosur) vor. Bei der Veranstaltung auf Einladung der Linksfraktion im Europaparlament werden Parlamentarier:innen und Nichtregierungsorganisationen beider Regionen die Situation kommentieren. Außerdem werden sie über Ansätze diskutieren, dem missbräuchlichen Einsatz von Pestiziden entgegenzuwirken.

Teilnehmer:innen sind Lilian Galán, Abgeordnete der Frente Amplio von Uruguay, Nilto Toatto, Bundesabgeordneter der brasilianischen Arbeiterpartei (PT) und Präsident der parlamentarischen Umweltfront, aus Deuschland Peter Clausing vom Pestizid-Aktions-Netzwerk (PAN) und aus Frankreich Arnaud Apoteker von Justice Pesticides sowie Sara Lickel vom Institut Veblen.

In der Studie, die bald online geht, erläutert Bombardi, wie das geplante EU-Mercosur-Freihandelsabkommen den ungleichen Handel zwischen beiden Regionen verstärkt und Klima und Ökosysteme weiter schädigt. Organisationen wie Greenpeace haben bereits gezeigt, dass europäische Chemiekonzerne massiv von den geplanten Zollsenkungen von 14 auf null Prozent auf Exporte von Pestiziden in den Mercosur profitieren. Dabei handelt es sich zum Teil um in der EU verbotene chemische Substanzen wie die stark bienengefährlichen Insektizide Fipronil von BASF, Thiamethoxam von Syngenta, Clothianidin und Imidacloprid von Bayer.

Die Zollsenkungen auf südamerikanische Agrarprodukte wie Rind- und Hühnerfleisch, Zucker und Bioethanol würden die Abholzung beschleunigen und das industrielle Landwirtschaftsmodell zementieren, das auf Monokulturen und gentechnisch veränderte Hochleistungspflanzen setzt, so die Kritik weiter. Davon profitieren wiederum die Chemikonzerne.

Die übliche Ausbringung von Pestiziden auf riesigen Plantagen per Flugzeug zerstört außerdem artenreiche Wälder und Savannen, verdrängt indigene Völker und Bauern und belastet gesundheitlich die lokale Bevölkerung. Mit dem Export der südamerikanischen Agrarprodukte gelangten die gefährlichen Substanzen zurück auf die Teller europäischer Verbraucher:innen und in hiesige Futtertröge. Außerdem schreibt das EU-Mercosur-Abkommen die Rolle Lateinamerikas als Exporteur von Agrarrohstoffen fort, wie die Karten in Bombardis Studie zeigen.

Zwar habe sich rein monetär gesehen ein gewisses Gleichgewicht im Handelsaustausch hergestellt. Die EU exportierte 2018 Erzeugnisse für rund 41 Milliarden Euro in den Mercosur, während dieser Waren im Wert von rund 43 Milliarden Euro in die EU ausführte. Deutschland dominiert dabei die Importe aus dem Mercosur mit einem Anteil von 20 Prozent am Gesamtexport, gefolgt von den Niederlanden mit 17 Prozent und Frankreich mit 14 Prozent. Führender Mercosur-Exporteur in die EU ist Brasilien mit über 70 Prozent des gesamten Exportvolumens. Der Anteil von Argentinien ist 20 Prozent, Paraguay und Uruguay bestreiten fünf Prozent.

Hinter der scheinbaren Gleichheit finanzieller Exportwerte verbirgt sich Bombardi zufolge jedoch die Unterordnung von Ökosystemen, Menschenrechten und menschlichen Bedürfnissen im Mercosur. Während die wichtigsten EU-Exporte weiterverarbeitete Güter wie Maschinen, Fahrzeuge, Kernreaktoren, Pharmazeutika und elektronische Ausrüstungen sind, blieben die wichtigsten Exportprodukte des Mercosur hauptsächlich Rohstoffe wie Sojaschrot, Tierfutter, Erze, Getreide, Zellulose, pflanzliche Öle, Obst und Kaffee.

Acht der zwölf meist exportierten Güter aus dem Mercosur in die EU stammten aus dem Agrarsektor, drei aus dem Bergbau und nur eines war ein Industrieprodukt. Umgekehrt entfielen von den zwölf meistexportierten Produkten der EU in den Mercosur elf auf Technologien mit hoher Wertschöpfung: zum Beispiel Fahrzeuge, Maschinen, Elektronikgeräte, Pharmazeutika und Chemikalien, Flugzeugteile, Stahl. Nur die zwölfte Produktkategorie beinhaltete Rohstoffe.

Dies reproduziere laut Bombardi das koloniale Handelsmodell asymmetrischer internationaler Arbeitsteilung, das die europäischen Kolonialmächte vor 500 Jahren etabliert haben.

Gegen das EU-Mercosur-Handelsabkommen protestiert inzwischen ein Bündnis von über 450 sozialen und Umwelt-Organisationen aus Lateinamerika und Europa. Nachbesserungen mit einer Zusatzklausel zum Umwelt- und Waldschutz, wie sie EU-Handelskommissar Dombrovskis vorschlägt, sind laut einem aktuellen Rechtsgutachten von Greenpeace und Misereor völlig unzureichend, um Nachhaltigkeit und Menschenrechte zu gewährleisten.