Kolumbien: Völkertribunal verurteilt den Staat wegen schwerer Verbrechen

Hartes Urteil gegen mehrere Regierungen, die USA und Konzerne wegen Verbrechen und Menschenrechtsverletzungen in den letzten 70 Jahren

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TPP-Präsident Philippe Texier anlässlich der Verkündung des Urteils
TPP-Präsident Philippe Texier anlässlich der Verkündung des Urteils

Bogotá. Das Permanente Völkertribunal (Tribunal Permanente de los Pueblos, TPP) hat den kolumbianischen Staat für Verbrechen gegen die Menschheit, Kriegsverbrechen sowie "für den kontinuierlichen Genozid" verurteilt. Diese Verbrechen hätten durch direkte oder indirekte Teilnahme des Staates und entsprechender Handlungen oder Unterlassungen seit dem Jahr 1946 zu einer teilweisen Zerstörung der Gewerkschafts- und Bauernorganisationen, von indigenen und afro-Gemeinschaften, politischen Gruppierungen und Menschenrechtsorganisationen geführt.

Die Verkündung des Urteils erfolgte virtuell durch Vertreter:innen einer 17-köpfigen, international zusammengesetzten Jury. Als Grundlagen für das Urteil dienten die während der dreitägigen Sitzung des TPP vom 25. bis 27. März dieses Jahres zusammengetragenen Berichte der Zivilgesellschaft und Aussagen von Opfern. Der umfangreiche Bericht mit dem Urteil ist sehr gut dokumentiert.

Das TPP wurde im Anschluss und in Orientierung an das vom britischen Philosophen und Nobelpreisträger Bertrand Russel initiierte internationale Tribunal über Kriegsverbrechen der USA in Vietnam gegründet. Der Urteilsspruch hat indes keine juristischen Konsequenzen, es ist vielmehr ein moralischer Appell, die begangenen Verbrechen zu verurteilen.

Das Urteil umfasst Taten, die in einer Zeitspanne von über 70 Jahren stattgefunden haben und betrifft einerseits die Regierungen von insgesamt 19 Präsidenten, die seit dem Jahr 1946 an die Macht gelangten. Andererseits werden auch die USA sowie nationale und transnationale Unternehmen verurteilt.

Letztere wurden für die Teilnahme an schweren Menschenrechtsverletzungen verurteilt, zum Beispiel im Zusammenhang von Vertreibungen und mit der Freiheit, sich gewerkschaftlich zu organisieren.

Die USA wurden insbesondere für ihre Rolle beim Paramilitarismus, bei der Politik des "internen Feindes" und der Unterdrückung der Opposition verurteilt.

Die kolumbianischen Regierungen wurden für elf Verbrechen schuldig gesprochen. Neben den bereits eingangs erwähnten Straftaten betrifft dies:

  • Die Nichtbeachtung der Verpflichtung zur Prävention, Untersuchung sowie Sanktion des Genozids, der Kriegsverbrechen und der Verbrechen gegen die Menschheit
  • Militärische- und Sicherheitsstrategien wurden auf Basis des "internen Feindes" konzipiert
  • Es wurde ermöglicht, dass Millionen von Personen von ihrem Land vertrieben wurden und ihr Land von Unternehmen besetzt wurde
  • Der Staat erlaubte und förderte, dass Gebiete und Ökosysteme durch verschiedene Wirtschaftsprojekte beeinträchtigt wurden
  • Institutionalisierter Rassismus, der in der "Viktimisierung" der indigenen und afro-Gemeinschaften Ausdruck findet
  • Unterstützung von paramilitärischen Gruppierungen
  • Entwürdigung, Stigmatisierung und Diskreditierung von gesellschaftlichen Ansprüchen. Häufig soll dies zu Angriffen auf die entsprechenden Gruppierungen und Gemeinschaften geführt haben
  • Ungerechtfertigter Einsatz des Strafrechts mit dem Ziel, Personen zu kriminalisieren, die ihr Recht auf Protest und Verteidigung der Menschenrechte ausüben
  • Nichteinhaltung der Verpflichtungen des Friedensabkommens

Bei der Präsentation gab der Jury-Präsident, Philippe Texier, auch Empfehlungen ab, so zur Respektierung und Durchsetzung der Menschenrechte.

Der TPP-Vizepräsident und langjährige Menschenrechtsverteidiger, Padre Javier Giraldo, zitierte am Schluss der Veranstaltung den ersten Präsidenten des TPP. Dieser hatte sinngemäß gesagt, dass das Volk der einzige Garant dafür sei, dass die Legitimität des TPP beziehungsweise dessen Urteil anerkannt werde.