Zwei Monate Protest in Kolumbien: Dekolonisierung und sexualisierte Gewalt

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Der Kopf von Kolumbus in Barranquilla (Screenshot)
Der Kopf von Kolumbus in Barranquilla (Screenshot)

Bogotá/Barranquilla. Die ersten zwei Monate der landesweiten Proteste in Kolumbien wurden am 28. Juni von Tausenden gefeiert und zum Anlass genommen, eine Bilanz zu ziehen. Im ganzen Land kam es erneut zu massiven Einschränkungen des öffentlichen Lebens und zu Auseinandersetzungen. Die Demonstrant:innen forderten Gerechtigkeit für die mehr als 70 getöteten Menschen, Hunderte Verschwundene und Tausende Verletzte durch die Einsätze von Polizei, Militär und Paramilitär.

Diese Bilanz führte wohl auch zum Rücktritt des Sicherheitsministers in der Hauptstadt Bogotá. Hugo Acero Velásquez gab zwar offiziell "persönliche Gründe" an, aber es häufen sich Berichte über seine Kritik am Vorgehen der Polizeieinsätze gegen den Protest. Neuer Minister wird nun Anibal Fernandez de Soto, ehemaliger stellvertretender Innen- und Verteidigungsminister.

Im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit standen allerdings zwei bisher weniger berichtete Themen. Zum einen wurde die Statue von Christoph Kolumbus in Barranquilla gestürzt und damit der Prozess der symbolischen Dekolonisierung weiter angefeuert. Nachdem eine Gruppe von Vermummten das Denkmal zu Fall gebracht hatte, wurde dies von der Menschenmenge gefeiert und der Kopf des Kolonisten durch die Stadt gezogen. Laut Zeitungsinformationen war die Statue Ende des 19. Jahrhunderts aus Italien an Barranquilla gestiftet worden, zum Gedenken an den 400. Jahrestag der "Entdeckung Amerikas".

Zum anderen wurde die Aufmerksamkeit auf die massiven Risiken für Frauen in den Demonstrationen gelenkt. Sexistische Beschimpfungen, Androhung von sexueller Gewalt und tatsächliche Vergewaltigungen durch Polizei und andere staatliche Einsatzkräfte sind in den letzten Monaten immer wieder vorgekommen. Laut der staatlichen Ombudsstelle für Menschenrechte gab es mindestens 113 Fälle von geschlechtsspezifischer Gewalt. Laut der NGO Temblores gebe es mindestens 28 Fälle sexuellen Missbrauchs durch Sicherheitskräfte. Die Staatsanwaltschaft untersucht derzeit sieben Vorwürfe. Dazu gehört der Fall eines 17-jährigen Mädchens, das in der Stadt Popayán von der Polizei sexuell missbraucht worden sein soll. Die Minderjährige beging einen Tag nach dem Missbrauch Selbstmord (amerika21 berichtete).

Linda Cabrera von der feministischen Organisation Sisma Mujer kritisiert, das Ziel der geschlechtsspezifischen Gewalt sei es, den Frauen Angst einzuflößen, um sie vom Protest abzuhalten. Aber viele Frauen hätten sich nicht entmutigen lassen, sondern die Gewalt habe sie noch darin bestärkt, eine wichtige Rolle bei den Demonstrationen zu spielen.