Internationale Reaktionen auf Repression in Kolumbien

Die Mission SOS Colombia dokumentiert schwere Menschenrechtsverletzungen. 41 Delegierte vor Ort. Britisches Parlament debattiert über Waffenembargo

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Die vier Vertreter:innen der Mission SOS Colombia auf der Pressekonferenz am 12. Juli.
Die vier Vertreter:innen der Mission SOS Colombia auf der Pressekonferenz am 12. Juli.

Bogotá. Die internationale Menschenrechtsmission "SOS Colombia" hat den Ordnungskräften in Kolumbien wegen ihres gewaltsamen Einsatzes bei dem Generalstreik schwere Vorwürfe gemacht. Der Staat verwende "Kampftechniken", um die protestierende Zivilbevölkerung "zu vernichten", sagte die Mission bei der Vorstellung ihres vorläufigen Berichts. Die Mission besteht aus 41 internationalen Politiker:innen, Sozialengagierten, Menschenrechtler:innen und Mitgliedern der Presse, Politiker:innen aus den Amerikas und Europa sowie dem Generalsekretär des Vatikans.

Die Hauptverantwortlichen der Gewaltexzesse seien laut der Mission die Polizei, die paramilitärischen Gruppen und bewaffnete Zivilpersonen. Die internationalen Beobachter:innen fassten in einem vorläufigen Bericht die Ergebnisse ihres Besuchs vor Ort zusammen. Sie reisten zwischen dem 3. und dem 12. Juli in verschiedene Regionen Kolumbiens, um mit lokalen Aktivist:innen, Regierungsvertreter:innen und Polizist:innen über ihre Erfahrungen während des Generalstreiks zu sprechen.

Die Mission entstand auf Initiative kolumbianischer Menschenrechtsorganisationen wie der Koordination Kolumbien Europa USA (CCEEU) und dem Zentrum für Forschung und Populäre Bildung (Cinep) unter anderen.

In dem Bericht listet die Mission elf konkrete, verifizierte Menschenrechtsverletzungen gegenüber den Demonstrant:innen auf: selektive Tötungen, (Augen-)Verletzungen, Folter, Angriffe mit Schusswaffen, geschlechtsspezifische Gewalt, sexuelle Gewalt und sexuelle Folter, willkürliche und rechtswidrige Festnahmen, willkürliche Verfolgungen, Entführungen sowie Stigmatisierung und Verfolgung.

Sie empfiehlt der kolumbianischen Regierung konkret ein Ende der Repression. Außerdem müsse sie Menschenrechtsverteidiger:innen, die Presse und Este-Hilfe-Sanitäter:innen besser schützen und Mechanismen zur Suche der Verschwundenen implementieren.

Längerfristig brauche es eine Reform des Justiz- und Polizeiapparats. Der Zugang für marginalisierte Gruppen solle verbessert werden. Protestierende fordern schon lange die Entmilitarisierung der Nationalpolizei sowie die Auflösung paramilitärischer Gruppen und der Spezialeinheit Esmad. Diese hat besonders gewalttätig in die Proteste eingegriffen (amerika21 berichtete). In ihrem vorläufigen Abschlussbericht greift die Kommission diese Forderungen auf.

Den endgültigen Bericht wird die Mission "SOS Colombia" diesen August veröffentlichen und darin auch die Umsetzung ihrer Empfehlungen durch die kolumbianische Regierung bewerten. Die Delegierten setzen sich für ein Ende der polizeilichen Kooperation zwischen Kolumbien und den USA ein. Außerdem fordert der spanische Delegierte Félix Ovejero ein Waffenembargo seitens der EU. Sollte Duque die Empfehlungen der Kommission ignorieren, könnten weitere wirtschaftliche Sanktionen folgen.

Für Sanktionen gegen die kolumbianische Regierung statt Empfehlungen spricht sich eine katalanische Delegation von vier Parlamentarierinnen verschiedener Parteien aus. Die Gruppe suchte Ende Juni für fünf Tage das Gespräch mit Vertreter:innen der kolumbianischen Zivilgesellschaft. Sie fand "ein autoritäres Regime, das sich als Demokratie ausgibt".

In Großbritannien hat die Labour-Abgeordnete Kate Osborne eine Debatte zu der Polizeigewalt und zum Verhältnis Großbritanniens zu Kolumbien auf die Tagesordnung gesetzt. Sie verurteilt die Ignoranz der Duque-Regierung, welche auf Demonstrant:innen schießende Paramilitärs mit keinem Wort erwähne und stattdessen den Protestierenden rate, nach Hause zu gehen. Verschiedene Abgeordnete sprechen sich für Sanktionen aus. Beispielsweise solle die Regierung das Schulungsprogramm der kolumbianischen Polizei durch Großbritannien überprüfen und gegebenenfalls aussetzen oder ein Waffenembargo durchsetzen.

Seit dem Beginn der Proteste am 28. April kam es zu zahlreichen Menschenrechtsverletzungen durch die Polizei, aber auch durch paramilitärische Organisationen und bewaffnete Zivilist:innen (amerika21 berichtete). Die unabhängige Nichtregierungsorganisation "Die Freiheit verteidigen" (Defender la Libertad) zählt mittlerweile 72 Tote, 1.177 Verwundete und 2.854 Verhaftungen. Die Dunkelziffer dürfte weit höher sein. Darüber hinaus sind nach wie vor zahlreiche Menschen verschwunden.