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Gericht in Kolumbien: Keine Anklage gegen Ex-General wegen "falsos positivos"

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"Wer gab den Befehl" ? Als dritter von links in der oberen Reihe ist Ex-General Montoya zu sehen
"Wer gab den Befehl" ? Als dritter von links in der oberen Reihe ist Ex-General Montoya zu sehen

Bogotá. Das Oberste Gericht von Bogotá (Tribunal Supremo de Bogotá) hat die Anhörung der Anklage gegen den ehemaligen Armeegeneral Mario Montoya Uribe abgelehnt. Ihm wird vorgeworfen, für Fälle von außergerichtlichen Hinrichtungen durch die Streitkräfte verantwortlich zu sein.

Zwischen 2002 und 2008 kam es zu mindestens 6.402 extralegalen Hinrichtungen, sogenannten "falsos positivos". Die ermordeten Zivilist:innen wurden später als im Gefecht gefallene Guerilla-Kämpfer:innen präsentiert.

Dem ehemaligen Militärchef Montoya werden von der Staatsanwaltschaft 104 dieser Morde zugerechnet, die er während seiner Zeit als Kommandant der Streitkräfte angeordnet haben soll. Der mit dem Fall beauftragte Richter sah die Zuständigkeit hierfür jedoch nicht bei der Staatsanwaltschaft, sondern bei der Sonderjustiz für den Frieden (JEP), an die sich der Ex-Militär im Oktober 2018 gewandt hat und die nun gegen ihn ermittelt. Ein Einspruch gegen diese Entscheidung ist nicht vor einer höheren Instanz, sondern ausschließlich beim Richter dieses Falls möglich.

Montoya wurde bisher nicht durch die Sonderjustiz oder die Strafjustiz des Landes belangt und wäre der erste (Ex-) General gewesen, der im Zusammenhang mit den "falsos positivos" rechtlich zur Verantwortung gezogen worden wäre. Für die Kläger:innen ist dies eine schwere Enttäuschung, sie hatten auf eine Verurteilung von Montoya und eine Aufklärung der Verbrechen gehofft. Sebastián Escobar, Anwalt der Betroffenen, fordert die Rücknahme dieser Entscheidung, da er den Zugang seiner Mandant:innen zur Justiz eingeschränkt sieht.

Schon länger fordern die Familien der Opfer, Montoya und andere ehemalige Generäle von der Sonderjustiz auszunehmen, da sie nicht kooperieren und zur Wahrheitsfindung beitragen, sondern den Prozess torpedieren würden. Gleichzeitig genießen sie die Vorteile der Sonderjustiz wie beispielsweise die Aussetzung von Haftbefehlen oder einer Untersuchungshaft.

Die Aufklärung der Verbrechen durch die JEP verläuft weiter schleppend. Der Internationale Strafgerichtshof in Den Haag (IstGH) könnte sich zeitnah einschalten und die Rechtsprechung über die Verbrechen übernehmen, ein Entwurf mit entsprechenden Kriterien dafür soll noch 2021 erscheinen.

Der IstGH hatte im Jahr 2017 auf die mögliche Verwicklung von 23 Generälen und sechs Obersten der Armee in außergerichtliche Hinrichtungen zwischen 2002 und 2010 hingewiesen. Sollte die kolumbianische Justiz gegen diese zum Teil noch aktiven 29 Militärs nicht zufriedenstellend ermitteln, könnte der IStGH sie strafrechtlich belangen.