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100 Jahre Paulo Freire: Gedenken des brasilianischen Pädagogen

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Paulo Freire (1921- 1997), einflussreicher brasilianischer Pädagoge und weltweit rezipierter Autor
Paulo Freire (1921- 1997), einflussreicher brasilianischer Pädagoge und weltweit rezipierter Autor

São Paulo. Zu Ehren des brasilianischen Philosophen und Pädagogen Paulo Freire, der am 19. September 100 Jahre alt geworden wäre, finden in Brasilien verschiedene Workshops und Ausstellungen statt. Freire gilt als Pionier der kritischen Pädagogik und erlangte unter anderem wegen seiner Alphabetisierungskampagne internationale Bekanntheit.

Auch Google widmete dem Humanisten ein Doodle und stieß damit bei Anhängern von Präsident Jair Bolsonaro auf Kritik.

Die Nationale Schule Paulo Freire veranstaltete am Samstag eine Reihe von Aktivitäten mit Eltern, Schüler:innen und Lehrer:innenn an der Schule Dr. Álvaro de Souza Lima in São Paulo. Zum Programm gehörten Street-Art-Workshops, Gesundheitsfürsorge, Rechtsberatung, Spenden von Büchern und Saatgut sowie die Anlage eines Gemeinschaftsgartens.

"Die Aktionen, die wir heute durchführen, sind ein Beispiel für das 'gemeinsame Tun', das uns Freire gelehrt hat. Indem wir gemeinsam etwas schaffen, praktizieren wir die Freire'schen Werte", sagte Júlia Aguiar, Aktivistin der sozialen Bewegung Levante, die die Nationale Schule Paulo Freire aufgebaut hat. Über den ganzen September sind Veranstaltungen zu seinen Ehren geplant.

Der aus Pernambuco stammende Pädagoge und Pionier des brasilianischen Bildungswesens wird zudem mit einer Ausstellung in der Kulturstiftung Instituto Cultural Itaú in São Paulo geehrt. Die kostenfreie Ausstellung läuft vom 18. September bis 5. Dezember und gibt Einblicke in das persönliche Leben und Werk des Erziehungswissenschaftlers.

Freire wurde am Sonntag, dem Tag, an dem er 100 Jahre alt geworden wäre, auch von Google geehrt: Freires Konterfei ist im Doodle - einer modifizierten Version der Nachrichten- und Suchmaschine - dieses Datums abgebildet.

Eduardo Bolsonaro, Bundesabgeordneter und Sohn des amtierenden Präsidenten, kritisierte Googles vorübergehende Änderung des Logos der Website:

"An Daten wie Weihnachten und Ostern weigert sich Google sein Logo zu ändern, um Jesus Christus zu huldigen. Aber sie ändern es, um den Kommunisten zu loben, der für die Zerstörung der Bildung in Brasilien verantwortlich ist. Der Krieg ist nicht nur ein politischer und kultureller, sondern auch ein geistiger", schrieb er auf Twitter und erhielt Zuspruch von weiteren Bolsonaro-Anhängern.

Freire gilt als einer der einflussreichsten Philosophen des 20. Jahrhunderts, der sein Leben damit verbrachte, sich für eine faire Bildung einzusetzen. Er entwickelte erfolgreich eine Alphabetisierungsmethode für Erwachsene, wurde aber bald von der Militärdiktatur verfolgt und musste Brasilien verlassen. Im Exil verbreiteten sich seine Ideen, und er erlangte internationale Anerkennung.

Paulo Freire, der in Brasilien Zielscheibe von Meinungsverschiedenheiten und Streitigkeiten ist, hat in der übrigen Welt eine große Anhängerschaft. Er ist der Brasilianer, der im Ausland am meisten mit Ehrendoktortiteln geehrt wurde, und 2016 erschien sein Werk "Pädagogik der Unterdrückten" als der weltweit am dritthäufigsten zitierte Titel in geisteswissenschaftlichen Werken.