Ein toter und viele verletzte Mapuche bei Einsatz von Marinesoldaten in Chile

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Seit dem 12. Oktober wird das Militär im Wallmapu eingesetzt.
Seit dem 12. Oktober wird das Militär im Wallmapu eingesetzt.

Wallmapu. Ein Mapuche ist am Mitttwoch an einer Kontrollstelle der Polizei und des Militärs unweit des Dorfs Cañete im Wallmapu erschossen worden, ein weiterer lebensgefährlich verletzt. Mehrere Dutzend weitere Personen wurden durch Schüsse verletzt, darunter ein neunjähriges Mädchen. Während von Seiten der Marine erklärt wurde, aus dem Hinterhalt angegriffen worden zu sein, erklärten Betroffene, die Soldat:innen hätten über Stunden die Straße blockiert und später unkontrolliert Schüsse abgegeben, wobei sie Menschen in ihren Häusern, Autos und vorbeifahrende Busse getroffen haben sollen.

Während die großen chilenischen Medienhäuser die offizielle Version des Vorfalls wiedergeben, schildern Betroffene ihre Darstellung der Ereignisse. Rosa Porma Leviqueo, die Mutter eines Mapuche, der derzeit mit schweren Verletzungen im Krankenhaus von Temuco liegt, schildert in einem Video, das amerika21 vorliegt, wie sie sich auf dem Weg zum Arzt befanden. An einem Kontrollpunkt des Militärs sei es zu einem kilometerlangen Stau gekommen. Als sie schließlich an den Soldat:innen vorbeifuhren, hätten diese das Feuer eröffnet und auf Autos und nahe gelegene Häuser geschossen. Das Militär soll den Verletzten keinerlei Hilfe geleistet haben. Porma vermutet, dass es noch Dutzende weitere Verletzte gibt, die sich bislang nirgends gemeldet haben.

Der Vorfall ereignete sich drei Wochen nachdem die Regierung von Präsident Sebastián Piñera in der Region Araucanía und Teilen der Region Bío-Bío den Ausnahmezustand erklärt hatte. Damit reagierte die Regierung auf Mobilisierungen von Lastwagenunternehmer:innen, die über mehrere Tage die Hauptstraßen in den Süden Chiles blockierten und den Einsatz des Militärs forderten. Grund dafür seien "terroristische Angriffe" von Seiten militanter Mapuche-Organisationen gewesen.

In den letzten Wochen fanden indes trotz massiver Militärpräsenz weiterhin Brandanschläge auf Häuser von Siedler:innen, Forstunternehmen und einen Zellulose transportierenden Zug statt. Vicente Painel, ein lokaler Politiker und Mapuche, äußerte gegenüber amerika21, "anstatt mehr Sicherheit zu gewährleisten, wurden die Mapuche bedrängt und eingeschüchtert".

Aufgrund der weiterhin auftretenden Anschläge schlug der rechtsgerichtete Regionalgouverneur vor, eine Abstimmung abzuhalten, in der die Bevölkerung über den dauerhaften Einsatz des Militärs entscheiden sollte. Eigentlich dürfen die Streitkräfe nur im Ausnahmezustand eingesetzt werden. Die Regierung kann diesen maximal für einen Monat verhängen, danach muss ihn das Parlament bestätigen.

Entgegen der Meinung rechtsgerichteter Politiker:innen, riefen breite Teile der Opposition zu einer friedlichen Lösung des Konflikts auf und kritisierten den Einsatz des Militärs. Der Regionalgouverneur der Region Bío-Bío, welcher der Opposition angehört, verurteilte den Vorfall und verlangte eine juristische Aufklärung.

Schon zu Beginn des Ausnahmezustands traf sich der Gouverneur mit einzelnen Bürgermeister:innen. Jorge Radonich, Bürgermeister der Kleinstadt Cañete, befürchtete bereits am 14. Oktober ein "Blutbad". Er sagte gegenüber Radio Biobio, der Militäreinsatz könne die Situation der Gewalt verschlimmern, "hoffentlich wird mit Fingerspitzengefühl gehandelt".

Mapuche-Organisationen aller politischen Ausrichtungen verurteilten ebenfalls den Einsatz des Militärs. Die Präsidentin des Verfassungskonvents, Elisa Loncón, ebenfalls Mapuche, schrieb auf ihrem Twitteraccount, "die Militarisierung ist nicht der Weg. Es ist dringend notwendig einen plurinationalen Dialog zu beginnen, der die Menschenrechte respektiert."

Am Donnerstag war es zu vereinzelten Protesten in mehreren Städten gekommen, die zum großen Teil von der Polizei unterdrückt wurden.

Militante Organisationen der Mapuche riefen ihrerseits zur Aufrechterhaltung des bewaffneten Widerstands auf. Die Organisation Weichan Auka Mapu erklärte, dass der Militäreinsatz eine Reaktion auf die Stärkung der Mapuche-Bewegung sei. In einem Video zeigt sie sich als bewaffnete Guerrilla, die weiterhin bewaffnete Aktionen gegen die Besetzer:innen des Wallmapu durchführen werde.