Caracas. Kommunitäre Radios in Venezuela haben gewaltsame Angriffe auf ihre Einrichtungen angeprangert, die von kürzlich gewählten oppositionellen Bürgermeistern angeführt wurden.
Die Übergriffe ereigneten sich in Gemeinden in den Bundesstaaten Mérida, Barinas und Aragua, in denen rechtsgerichtete Oppositionskandidaten bei den "Megawahlen" auf lokaler Ebene gewonnen haben. Videos, die in den sozialen Medien verbreitet wurden, zeigen Schäden an den Gebäuden der Sender, was bei alternativen Radios, Volksorganisationen und Regierungsbehörden Empörung auslöste.
Am Mittwoch beschuldigten Gemeindemitglieder von La Azulita in der Gemeinde Andrés Bello in Mérida die Bürgermeisterin María Villasmil vom Oppositionsbündnis Demokratische Allianz, willkürlich das Radio La Azulita 107,3 FM schließen zu wollen, das seit zehn Jahren sendet.
In einem Video sind die Betreiber und Nachbarn des Senders zu sehen, wie sie Villasmil und eine Gruppe von Personen daran hindern, den Sender zu übernehmen. "Wir haben einen autonomen Rechtsstatus", erklärt eine Frau, während andere die neu gewählten Offiziellen zur Rede stellen.
Villasmil versuchte auch nach Vorlage der rechtlichen Unterlagen des Radios, den Sender mit der Begründung abzuschalten, er gehöre zum Bürgermeisteramt.
Ein ähnlicher Vorfall ereignete sich im Bundesstaat Barinas. Das Ziel war Radio Explosiva 88,7 FM in Santa Bárbara, Gemeinde Zamora. Nach Angaben der Mitarbeiter wurden sie von einer Gruppe von 70 Personen, angeführt von Bürgermeister Nelson García Mora von der Oppositionspartei Compromiso País, gezwungen, den Sendebetrieb einzustellen.
"Sie traten die Tür ein und kappten die Stromleitungen. Wir sind derzeit nicht auf Sendung und warten auf die Antwort der Behörden", erklärten die Radiomacher. Sie werfen García Mora vor, seinen Privatsender Monumental 94.1 protegieren zu wollen. Auch das Wohnhaus des Radioleiters, Luis Becerra, wurde attackiert. "Wenn eine Regierung der Opposition so anfängt, mit dieser gewalttätigen Haltung, was sollen wir dann in Zukunft erwarten? Wir sind ein legaler Sender, unsere Papiere sind in Ordnung", sagte Becerra.
Sprecher der Kommune "Träume von Bolívar und Zamora" in Barinas erklärten in einem Video ihre Solidarität mit den Beschäftigten von Radio Explosiva. "Der gewählte Bürgermeister hat seine Beglaubigung vom Nationalen Wahlrat noch nicht mal erhalten und missbraucht bereits seine Macht", so einer der Kommunarden.
Betroffen war auch Radio Positiva 92,7 FM in Palo Negro, Gemeinde Libertador im Bundesstaat Aragua. Der lokale Sender musste den Betrieb einstellen, nachdem sein Gebäude auf Anweisung des neuen Bürgermeisters Gonzalo Díaz von der oppositionellen Alianza del Lápiz beschlagnahmt worden war. Der Sitz des Senders war vom scheidenden Bürgermeister Regulo La Cruz von der Vereinten Sozialistischen Partei (PSUV) gemietet und der Gemeinde überlassen worden.
Venezuelas Vizepräsident für Kommunikation, Kultur und Tourismus, Alfred Nazareth, bezeichnete die Angriffe als "faschistisch“, bekundete seine Solidarität mit den kommunitären Radios und versprach, "die Integrität der örtlichen Journalisten und das Recht auf freie Meinungsäußerung" zu schützen.
Die Generalstaatsanwaltschaft verurteilte ebenfalls die Angriffe auf die Radios durch "gewalttätige Mobs" und leitete eine Untersuchung ein. "Die Angreifer haben den Sendern großen Schaden zugefügt, indem sie Kabel durchtrennten, Eigentum zerstörten und die Mitarbeiter vor den Augen von Minderjährigen körperlich bedrohten", schrieb Generalstaatsanwalt Tarek William Saab auf Twitter.
Zahlreiche alternative Medienorganisationen wiesen die Einschüchterungsversuche zurück und forderten Gerechtigkeit. "So funktioniert der Faschismus, indem er Räume angreift, die vom Volk betrieben werden, weil wir die Wahrheit sagen und die Revolution verteidigen. So verhält sich die Rechte, wenn sie an der Macht ist", heißt es in einem Kommuniqué.
In Venezuela sind seit dem Amtsantritt von Hugo Chávez 1999 über 300 kommunitäre Radiosender gegründet worden, die autonom von popularen Organisationen betrieben werden. Sie bieten Bildungs-, Musik-, Sport-, Informations- und politische Programme an, die die Kultur der Gemeinden widerspiegeln und deren Probleme aufgreifen. Derzeit unterstehen sie der staatlichen Telekommunikationsaufsicht und sind durch das Gesetz über Populare Kommunikation geschützt.
Laut den aktuellsten Zahlen des Wahlrates stehen die Wahlergebnisse von 322 der 335 Bürgermeisterämter fest: 205 gewann die PSUV, 59 das rechte Bündnis Tisch der demokratischen Einheit (MUD) und 21 andere politische Organisationen. Wie das der Opposition nahestehende Nachrichtenportal Infobae berichtet, hat "der Chavismus neun der zehn wichtigsten Bürgermeisterämter gewonnen".