Peru / Politik

Droht in Peru ein "Putsch" gegen Präsident Castillo?

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Die Ausarbeitung einer neuen politischen Verfassung war eines der Wahlversprechen Castillos
Die Ausarbeitung einer neuen politischen Verfassung war eines der Wahlversprechen Castillos

Lima. Abgeordnete dreier rechter Parteien haben am Donnerstag einen Antrag zur Einleitung eines Amtsenthebungsverfahrens gegen Präsident Pedro Castillo eingereicht. Sie werfen dem Staatsoberhaupt "moralische Amtsunfähigkeit vor". Mit den Unterschriften von 28 Parlamentarier:innen erreichte das Gesuch das nötige Quorum und wird somit in wenigen Wochen im Plenum zur Abstimmung stehen.

Für viele Beobachter:innen schien es nur eine Frage der Zeit: Nach nicht einmal vier Monaten Amtszeit des linken Präsidenten setzte die parlamentarische Rechte das um, womit sie lange gedroht hatte. Abgeordnete von drei Parteien, darunter die fujimoristische Fuerza Popular (Volkskraft), die rechtslibertäre Avanza País (AP, Vorwärts mit dem Land) sowie die ultrarechte Renovación Popular (Volkserneuerung) sammelten die nötigen 28 Stimmen für einen Antrag zur Einleitung eines Amtsenthebungsverfahrens. 56 von 130 Stimmen werden dafür notwendig sein, dem Antrag stattzugeben, die Stimmen von 87 Abgeordneten müssten für eine Entmachtung im Zuge des Verfahrens zusammenkommen. Gemeinsam verfügen alle Oppositionsparteien gegenüber dem linken Regierungsbündnis über 88 Stimmen.

Das Antragsdokument begründet die vermeintliche Amtsunfähigkeit in erster Linie mit einem Korruptionsskandal. Dabei wird Castillos Partei Perú Libre (PL, Freies Peru) vorgeworfen, im Departamento Junín finanzielle Mittel der Regionalregierung für den Wahlkampf veruntreut zu haben. Nach aktuellem Stand der Ermittlungen ist dem Präsident allerdings keine Verbindung zu der Veruntreuung nachzuweisen.

Außerdem werden im Dokument einige von Castillos Ex-Minister:innen beschuldigt, in der Vergangenheit Sympathien oder gar Verbindungen zu der maoistischen Guerilla-Gruppe Leuchtender Pfad gehabt zu haben. Gegen den ehemaligen Premierminister Guido Bellido laufen Ermittlungen wegen "Terrorismusapologie". Der deswegen entstandene Druck sowie innere Zerwürfnisse hatten Anfang Oktober zu einer Kabinettsumbildung geführt (amerika21 berichtete).

Auch der Vorwurf unregelmäßiger Beförderungen innerhalb des Militärs, die zum Rücktritt des Verteidigungsministers Walter Ayala geführt hatten (amerika21 berichtete), wird dem Präsidenten von den Rechtspolitiker:innen angelastet. Nicht zuletzt wird Castillos Stärkung der Beziehungen zu "antidemokratischen Regierungen" wie Venezuela als weiterer Grund zur Amtsenthebung angeführt.

Abgeordnete der Regierungspartei PL reagierten empört auf den Antrag. "Ich sage es seit dem ersten Tag: Es gibt eine Gruppe von Putschisten, deren einziges Interesse darin besteht, den Präsidenten des Amtes zu entheben. Nun werden wir gegen sie im Kongress sowie auf der Straße in die Schlacht ziehen!", twitterte der Parlamentarier Guillermo Bermejo.

Castillo selbst warf den betroffenen Abgeordneten vor, die demokratischen Institutionen zu zerstören und das Land destabilisieren zu wollen. Vizepräsidentin Dina Boluarte sprach von einem "Putsch gegen eine demokratisch gewählte Regierung".

Dennoch stehen nicht alle in der Partei geschlossen hinter dem Präsidenten. Der linke Parteiflügel, der seit der Kabinettsumbildung im Oktober mit Castillo offen im Konflikt steht, erwägt gar, sich dem Antrag der Rechten anzuschließen. Man werde eine Unterstützung des Amtsenthebungsverfahrens prüfen, sagte der Fraktionssprecher von PL, Waldemar Cerrón, am Donnerstag.

Die wirtschaftlichen Eliten des Landes sind sich uneinig in ihrer Bewertung der Vorgänge. Während noch vor einigen Wochen geheime Chats des Unternehmerverbands SNI (Sociedad Nacional de Industrias) veröffentlicht worden waren, in denen einige Mitglieder durch Bestechung einen Generalstreik gegen die Regierung anzetteln wollten, sprach sich der Verband nun gegen die Amtsenthebung aus. "Wir sind daran interessiert, dass es Rechtssicherheit gibt und insbesondere dass der Rechtsstaat respektiert wird", so SNI-Präsident Ricardo Márquez am Donnerstag.

Große Teile der Bevölkerung begegnen der Amtsenthebung mit Ablehnung. Dies zeigte sich in einer sinnbildlichen Szene, bei der Passantinnen die Initiatorin des Antrags, die Kongressabgeordnete Patricia Chirinos (AP), vor laufenden Kameras beschimpften. Sie sei eine "unverschämte Gaunerin". Eine Anwesende rief: "Ich fordere deine Amtsenthebung, denn dein Gehirn hat schon viel zu lange Urlaub!"

Nichtsdestotrotz gibt es auch Zustimmung: Am Samstag demonstrierten in Lima mehrere Hundert für eine Amtsenthebung und sofortige Neuwahlen. Unter ihnen waren auch einschlägige rechtsextreme Gruppierungen vertreten.