Rechtsexperte: Britisches Goldurteil basiert auf "illegaler Einmischung" in Venezuela

Gerichtshof stützt sich auf Anerkennung Guaidós durch britische Regierung. Venezuelas Außenminister: Urteil ist irrational und rechtswidrig

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Proteste vor der Bank of England gegen die Enteignung von venezolanischen Vermögenswerten
Proteste vor der Bank of England gegen die Enteignung von venezolanischen Vermögenswerten

London/Caracas. Der Oberste Gerichtshof von Großbritannien hat zugunsten des venezolanischen Oppositionellen Juan Guaidó geurteilt, der die Kontrolle über venezolanisches Gold im Wert von 1,7 Milliarden US-Dollar erlangen will. Dieses ist bei der Bank of England (BoE) gelagert. Venezuelas Regierung kritisiert die Entscheidung scharf und fordert eine Korrektur.

Die Entscheidung vom Montag ist die jüngste Episode im juristischen Kampf der demokratisch gewählten Regierung von Nicolás Maduro, um den Zugang zu den Goldreserven wiederzuerlangen.

Bezugnehmend auf das "Ein-Stimmen-Prinzip" entschied das Gericht, dass die politische Anerkennung ausländischer Staaten laut britischer Verfassung allein der Regierung des Landes obliegt.

2019 erkannte die konservative britische Premierministerin Theresa May im Rahmen der von den USA angeführten Bemühungen zum Sturz der Regierung Maduro Guaidó als "Interimspräsident" an. Ihr Nachfolger, Boris Johnson, hat dies aufrechterhalten und steht damit im Gegensatz zur großen Mehrheit der Regierungen der Welt, einschließlich der Europäischen Union.

Der Gerichtshof hob ein früheres Urteil des Berufungsgerichts auf und stellte fest, dass Maduro von London nicht als Präsident Venezuelas anerkannt werde. Das Berufungsgericht habe sich geirrt, als es annahm, dass es eine "implizite Anerkennung" der Maduro-Regierung gebe. Dieses sah die Anerkennung Guaidós als widersprüchlich an und folgte der Argumentation der Zentralbank von Venezuela (BCV), dass die diplomatischen Beziehungen zur amtierenden Regierung Maduro de facto nicht abgebrochen und die Botschaften weiter besetzt sind.

Unter Berufung auf die Arbeit des Rechtswissenschaftlers Ti-chiang Chen sagte der Experte für internationales Recht, Dock Currie, zu Venezuelanalysis, dass die politische Anerkennung Guaidós als Präsident von Venezuela durch Großbritannien "illegal" sei und einen Akt der Einmischung darstelle. "Juan Guaidó ist nie zum Präsidenten Venezuelas gewählt worden und seine Anerkennung als solcher durch die imperialistischen Staaten ist selbst ein Verbrechen, eine illegale Einmischung in die Souveränität Venezuelas", so Currie. "Die Enteignung der venezolanischen Vermögenswerte im Ausland" durch diese Staaten und die Aushändigung an Guaidó "steigert dieses Verbrechen exponentiell", fügte er hinzu.

Das Urteil ist das letzte in einer langen Geschichte vor britischen Gerichten über die Frage, wer die 31 Tonnen Gold kontrolliert, die Venezuela bei der Bank of England deponiert hat. Die Regierung Maduro hat versucht, die Freigabe zu erwirken, um in der Covid-19-Pandemie Lebensmittel und Medikamente zu kaufen.

Mit der Entscheidung ging die Kontrolle über die Goldreserven nicht unmittelbar an Guaidó über, die BoE bleibt weiter in ihrem Besitz. Der Gerichtshof vertritt stattdessen, dass das Handelsgericht (Commercial Court) abwägen sollte, ob die Urteile des Obersten Gerichtshofes von Venezuela (TSJ) "anerkannt oder in Kraft gesetzt werden sollten".

Der TSJ hat wiederholt entschieden, dass das im Februar 2019 von der Oppositionsmehrheit im Parlament verabschiedete "Übergangsstatut", das Guaidó ermächtigt, einen Vorstand für die Zentralbank zu ernennen, null und nichtig ist. Der TSJ urteilte zudem, dass das Dekret der scheidenden Nationalversammlung zur Verlängerung ihres Mandats nach dessen Ablauf im Januar 2021 verfassungswidrig ist.

Der britische Gerichtshof hat jedoch auch klargestellt, dass das Handelsgericht Entscheidungen ausländischer Gerichte nicht anerkennen kann, wenn diese der Innenpolitik Großbritanniens zuwiderlaufen, die Guaidó als Präsident Venezuelas anerkannt hat.

Sarosh Zaiwalla, Vertreter des von der venezolanischen Regierung ernannten BCV-Vorstandes, sagte, sein Mandant freue sich darauf, den Fall fortzusetzen und zu zeigen, dass "die BCV in Caracas die einzige rechtsgültig ernannte Behörde ist, die sich im Interesse der venezolanischen Bevölkerung mit dem Auslandsvermögen Venezuelas befasst".

In einer Stellungnahme der venezolanischen Regierung bezeichnete Außenminister Félix Plasencia das Urteil als "überraschend und irrational". Das Gericht ordne sich einem "rechtswidrigen Akt der Außenpolitik seiner Krone unter, der an Absolutismus erinnert und von der britischen Exekutive unter offener Verletzung der Grundprinzipien der internationalen Rechtsstaatlichkeit sowie der eigenen nationalen und internationalen Gesetzgebung bewusst ausgeübt wird".

Die britische Regierung ihrerseits greife "in Komplizenschaft mit extremistischen Faktoren der venezolanischen Politik" auf ein "betrügerisches politisches Konstrukt zurück, angeführt von dem Hochstapler Juan Guaidó, mit dem perversen Ziel, unverhohlen das Gold der Venezolaner zu stehlen und die internationalen Reserven des venezolanischen Staates zu beschlagnahmen". Diese Politik werde von Washington aus gesteuert, "um die Ressourcen, die das Eigentum unseres Volkes sind, zu rauben". Venezuela erwarte, dass die britische Justiz diese Entscheidung korrigiere.

Guaidó feierte indes das jüngste Urteil.

Der Oppositionsführer und seine Mitarbeiter sind wegen ihres Umgangs mit ausländischen Vermögenswerten in verschiedenen internationalen Schiedsverfahren heftig kritisiert worden.