Kolumbien: Vorwürfe des "Autoritarismus" gegen grüne Bürgermeisterin von Bogotá

Stadtplanung für Immobilien- und Baugeschäfte per Dekret durchgezogen. Ablehnung auch durch Mitglieder der eigenen Partei

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Links Planungsdezernentin María Mercedes Jaramillo, rechts Oberbürgermeisterin Claudia López
Links Planungsdezernentin María Mercedes Jaramillo, rechts Oberbürgermeisterin Claudia López

Bogotá. Die Bürgermeisterin Bogotás von der Partei Alianza Verde (Grüne Allianz), Claudia López, hat kurz vor Silvester einen stark umstrittenen Flächennutzungsplan (Plan de Ordenamiento Territorial, POT) gegen den Willen der Mehrheit im Stadtrat per Dekret verabschiedet. Auch soziale und Umweltorganisationen hatten López aufgefordert, den POT nicht auf diese Weise zu verordnen. López Handlung sei ein Zeichen "ihres Autoritarismus", sagte die Stadträtin Heidy Sánchez von der linken Partei Unión Patriótica, UP.

Der Hauptvorwurf, den alle Kritiken der progressiven und linken Stadträt:innen gemeinsam haben, ist, dass der POT sich hauptsächlich an den Interessen des Immobiliengeschäftes bzw. der Bauunternehmen orientiert. Zum Beispiel werden 9.000 Hektar der Stadtfläche als Zonen der "Stadterneuerung" und "Konsolidierung" deklariert, so der Stadtrat Carlos Carrillo vom Polo Democrático. Damit können dort die existierenden Bauten abgerissen und Gebäude mit einer höheren Geschossflächenzahl (GFZ) neu gebaut werden. Die Geschossflächenzahl gibt an, wie viele Quadratmeter Geschossfläche auf einen Quadratmeter Grundstücksfläche entfallen. Je höher sie ist, umso teurer wird das Grundstück.

Allein die Unterschrift unter den POT durch López habe manche städtischen Großgrundbesitzer:innen viel reicher gemacht, versicherte Carrillo. Außerdem seien die Häuser in diesen Zonen dazu verdammt, Platz für hohe und extrem dicht gebaute Gebäude zu machen. Es werde viele Enteignungen geben und selbst wenn die kleinen Hauseigentümer mit dem kommerziellen Wert ihrer Häuser entschädigt werden, seien dies Peanuts im Verhältnis zu den enormen Renditen der Immobilienfirmen wegen der hohen GFZ.

Stadträt:innen und Fachleute der Stadtplanung kritisieren, dass der POT die Wohndichte Bogotá weiter erhöht und somit die Lebensqualität der Bewohner:innen senkt. Bogotá belegt jetzt schon je nach Messung den siebten, achten oder neunten Platz der am dichtesten besiedelten Städte der Welt. Die erlaubte Gebäudehöhe in Zonen, die bislang geschützt waren, wird größer. Zum Beispiel am Fuß der östlichen Berge ermöglicht López 24-stöckige Gebäude. Bis jetzt waren Bauten von maximal sechs Stockwerken erlaubt.

Des weiteren sind die Feuchtgebiete Bogotás (Humedales) gefährdet. Es sind hoch biodiverse Naturreservate und natürliche Wasserspeicher. Der POT López ermöglicht, hier Straßen zu bauen. Die Feuchgebiete "Conejera", "Capellanías" und "Tibabuyes" werden davon betroffen sein, klagt der Umwelt- und Menschenrechtaktivist Juan Galeano.

Der Stadtrat Carrillo prangert außerdem die 25 "strategischen Maßnehmen" (Actuaciones Estratégicas) des POT an. Es geht dabei um 25 Zonen, wo private Gesellschaften den Bau ihrer dortigen Projekte selbst reglementieren können. "Sie können dort machen, was sie wollen", so Carrillo. Sie seien ein "Blankoscheck" für die Projektentwicklung, sagte der Experte in Stadtplanung Professor Mario Noriega.

Der POT öffnet die Tür für die Erweiterung des äußerst umstrittenen Metrobussystems "Transmilenio", das vor allem für die privaten Busgesellschaften ein gutes Geschäft, aber den Verkehrsproblemen der Stadt nicht gewachsen und wegen des Dieselantriebs umweltschädlich ist. Der POT kündigt 17 neue Buslinien an, für die Bauten abgerissen werden müssen, was neue Geschäftsmöglichkeiten für das Bauunternehmertum bietet.

Organisationen von Bewohner:innen und die Stadträt:innen hatten erwartet, dass der neue POT, der die Flächenentwicklung für die nächsten zwölf Jahre plant, in einem beratschlagenden Prozess gemeinsam gestaltet wird. Sogar Stadträte der Partei von López kritisieren den Mangel an Chancen zur Teilnahme bei der Erstellung des POT. López habe "auf die Stimme der Leute nicht gehört", sie sei "über die Köpfe der Stadtratsangehörigen hinweg gegangen", protestiert der grüne Stadtrat Diego Cancino.

Die Stadtverwaltung habe ein "Arroganz-Problem", wenn sie nicht auf die unterschiedlichen Stimmen höre, die sie aufgefordert haben, einen angepassten POT erneut vorzulegen, so der ebenfalls grüne Stadtrat Martín Rivera Alzate. Der POT sei ohne die Leute von Bogotá, ohne die Umwelt- und Bewegungen der Stadtviertel vorangetrieben worden, kritisiert der Ex-Stadtrat des Menschlichen Kolumbiens (Colombia Humana, CH), Hollman Morris. Ähnlich klagt die CH-Stadträtin Susana Muhamad: López repräsentiere die "neoliberale politische Mitte".

Im Jahr 2019, als der damalige Oberbürgermeister Enrique Peñaloza einen Flächennutzungsplan per Dekret verabschieden wollte und López sich in der Wahlkampagne befand, sagte sie noch: "Es ist respektlos, uns den POT per Dekret aufzwingen zu wollen."