Indepaz-Jahresbericht legt Ausmaß der Gewalt in Kolumbien offen

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"2021: 96 Massaker. 335 Tötungen. Erfasst durch die NGO Indepaz"
"2021: 96 Massaker. 335 Tötungen. Erfasst durch die NGO Indepaz"

Bogotá. Die kolumbianische Nichtregierungsorganisation Indepaz hat kürzlich ihren Jahresbericht für das Jahr 2021 zur Gewalt in den verschiedenen Regionen Kolumbiens vorgelegt. Insgesamt wurden 168 soziale und politische Aktivistinnen getötet. Weitere 326 Personen kamen während der insgesamt 92 Massaker ums Leben. Trotz der humanitären Notlage war das vergangene Jahr das mit den wenigsten Todesfällen seit der Unterzeichnung des Friedensabkommens im Jahr 2016. Die Zahl der Vertreibungen ist allerdings stark angestiegen.

Angehörige indigener Gemeinschaften und Menschenrechtsverteidiger:innen sind überproportional betroffen. 55 Indigene und 37 zivile Führungspersönlichkeiten bezahlten ihren Einsatz mit ihrem Leben. Laut dem Bericht von Indepaz waren die Provinzen Cauca und Antioquia besonders stark betroffen. Beinahe ein Drittel der Morde ereigneten sich in diesen beiden Gebieten. Hervor sticht außerdem das Alter der Opfer. Viele der Getöteten waren junge Menschen, teilweise minderjährig, die sich für ihre Gemeinden und Rechte engagierten.

Zivilgesellschaftliche Organisationen machen unter anderem die Regierung von Präsident Iván Duque für die Gewalt und die Morde verantwortlich. Diese spricht sich regelmäßig offen gegen die Umsetzung des Friedensvertrags mit den Farc-EP (Revolutionäre Streitkräfte Kolumbiens - Volksarmee) aus, den die Vorgängerregierung geschlossen hatte. Seit dem Amtsantritt Duques im August 2018 verzeichnete Indepaz 885 ermordete Führungspersonen.

Der Bericht warnt zudem vor bewaffneten Gruppen. Indepaz zählt mindestens 29 solcher Strukturen, die sich in unterschiedlichen Teilen Kolumbiens ausgebreitet haben. Gleichzeitig prangert der Bericht die Morde an ehemaligen Farc-EP Kämper:innen an, die nach der Niederlegung ihrer Waffen durch das Friedensabkommen vor gewalttätigen Übergriffen geschützt werden sollten.

Seit ihrer Gründung im Jahr 1984 setzt sich Indepaz für den Frieden und Entwicklung ein. Die Organisation stärkt zivilgesellschaftliche Arbeit und gibt insbesondere ethnischen Minderheiten eine Stimme, indem sie sichere Räume für Dialoge zwischen Unternehmen, Gewerkschaften, politischen Parteien und sozialen Bewegungen schafft. Sie forscht und veröffentlicht regelmäßig Lageberichte.

Während die Zahlen der gezielten Tötungen seit dem Abschluss des Friedensvertrags sanken, stiegen im vergangenen Jahr die Zwangsvertreibungen innerhalb des Landes stark an. Knapp 83.000 Kolumbianer:innen mussten ihre Heimat verlassen.

Wie beunruhigend diese Zahl ist, zeigt der Vergleich zum Vorjahr. Die Beratungsstelle für Menschenrechte und Vertreibung (Codhes) gab eine Erhöhung der Zwangsvertreibung um 169 Prozent an. Auch hier fällt die starke Betroffenheit von vulnerablen Gruppen auf: Codhes bestätigte, dass von zehn Vertriebenen sieben afrokolumbianischer oder indigener Herkunft sind. 37.664 der Betroffenen gehören afroamerikanischen und 18.979 indigenen Gemeinschaften an. Ursächlich für die Vertreibungen sind insbesondere die direkten und indirekten Bedrohungen der Zivilbevölkerung durch kriminelle und bewaffnete Gruppen.