Honduras: Prominente Umweltschützer kommen endlich in Freiheit

Verfahren gegen Aktivisten für null und nichtig erklärt. Verbindung der Nebenklage zu Tochterfirma der Münchner Flughafengesellschaft

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Tocoa feiert das Urteil der Verfassungskammer des Obersten Gerichtshofs zugunsten der Umweltaktivisten
Tocoa feiert das Urteil der Verfassungskammer des Obersten Gerichtshofs zugunsten der Umweltaktivisten

Tegucigalpa/Tocoa. Die Provinzstadt Tocoa feiert den unverhofften Beschluss der hondurianischen Justiz zugunsten der acht inhaftierten "Verteidiger der Flüsse Guapinol". Das Urteil der Verfassungskammer des Obersten Gerichtshofs hat den Prozess gegen die Umweltschützer annulliert. Nebenklägerin war die Firma Inversiones Los Pinares. Sie gehört zur Holdinggesellschaft EMCO und ist laut dem Ökumenischen Büro München Geschäftspartner einer Tochterfirma der Münchner Flughafengesellschaft.

Die acht angeklagten Männer hatten sich gegen zwei Eisenerztagebaue von Los Pinares engagiert, deren Lizenzen und Genehmigungen unter dubiosen Umständen erteilt wurden. Sie zerstören das Wasserschutzgebiet im Nationalpark Carlos Escaleras und verseuchen das Trinkwasser von Tausenden Menschen. Die Umweltaktivisten waren seit 29 Monaten in Untersuchungshaft.

Das Urteil des Obersten Gerichtshofs kam überraschend, nachdem nur ein paar Stunden vorher das Strafgericht der Provinzstadt Tocoa sechs der Umweltaktivisten für schuldig erklärt und zwei freigesprochen hatte. Zwei Jahre lang hatten Anträge der Strafverteidiger:innen der Umweltschützer beim Obersten Gerichtshof wegen willkürlicher Verhaftung und der Verletzung elementarer Rechte der Beschuldigten in einer Schublade gelegen. Nun bekamen sie binnen Stunden plötzlich Recht. Gemeinsam mit dem UN-Hochkommisariat für Menschenrechte verlangen sie nun die sofortige Freilassung der sechs Gefangenen.

Die Staatsanwaltschaft hatte 36 Jahre Haft für alle Angeklagten beantragt. Offiziell beschuldigte sie die Umweltschützer der Bildung einer kriminellen Vereinigung, Freiheitsberaubung und schweren Brandstiftung. Die letzten zwei Anschuldigungen hat die Ermittlungsbehörde anhand eines Vorfalls vom 7. September 2018 offenbar konstruiert.

An jenem Tag rückten Arbeiter des Unternehmens und Sicherheitskräfte gegen das Protest-Camp vor, das die lokalen Gemeinden errichtet hatten, nachdem sie juristisch gegen die Umweltschäden des Berbauprokejtes vorgegangen waren. Laut Angehörigen der Teilnehmer:innen des Protestcamps wurde ein 17-Jähriger von einem Sicherheitsmann des Unternehmens in den Rücken geschossen und schwer verletzt. Ein Auto und zwei Baucontainer brannten, der Vorgesetzte des Schützen musste vor Ort auf die Polizei warten.

Darauf folgte die Räumung des Camps und eine Serie von Anzeigen und Klagen gegen mehrere Camp-Aktivist:innen. Ihnen wurde schwere Brandstiftung und die angebliche Freiheitsraubung eines Sicherheitsmannes vorgeworfen. Die nun freigesprochenen Umweltschützer stellten sich damals freiwillig der Justiz, als sie hörten, dass Haftbefehle gegen sie ausgestellt wurden.

Die UN-Arbeitsgruppe gegen willkürliche Verhaftungen erklärte ihre Inhaftierung im November 2020 für illegal und forderte den honduranischen Staat auf, die acht Männer sofort freizulassen und sie für das erlittene Unrecht zu entschädigen.

Die Anklage der Staatsanwaltschaft beruhte einseitig auf widersprüchlichen Zeugenaussagen, so das Komitee zur Verteidigung der Gemeingüter im Bezirk Tocoa (CMDBCP). Die Zeugen hätten ausschließlich eigene Interessen als vermeintlich Hauptgeschädigte sowie Interessen der Firma Los Pinares als Nebenklägerin vertreten.

Die Leiterin des Hochkommissariats für Menschenrechte in Honduras sagte am 8. Februar, die Argumente der Staatsanwaltschaft seien unvereinbar mit internationalen Standards der Beweiswürdigung. Sie zeigten mangelnde Objektivität und stigmatisierten die Angeklagten. Dass das Gericht der Provinzstadt Tocoa im Sinne der Staatsanwaltschaft urteilte, bezeichnete Amnesty International als "empörend".

Verteidiger Edy Tabora betonte zunächst in einem Livestream vor dem Gerichtsgebäude: "Die Verurteilten sind unschuldig. Es wurde weder die Existenz der Delikte selbst noch irgendeine Art von Teilnahme der Verurteilten nachgewiesen. Das Urteil zeigt, dass die Justiz durch Unternehmen korrumpiert ist. Es ist ein politisches Urteil, das einzig auf den ökonomischen Interessen des Unternehmens Inversiones Los Pinares beruht."

Sofort nach dem Urteil vom 9. Februar hatten die sechs Umweltaktivisten, die sich als politische Gefangene sahen und von Amnesty International als Gewissensgefangene anerkannt wurden, beschlossen einen Antrag auf Amnestie zu stellen. Die seit 27. Januar amtierende Mitte-Links-Regierung von Xiomara Castro hatte vor wenigen Tagen ein Amnestie-Dekret verabschiedet und am 4. Februar im Amtsblatt veröffentlicht, das kriminalisierten Mitgliedern sozialer Bewegungen, die von ihrem legitimen Recht auf Protest Gebrauch machten, Amnestie gewährt. Dieser Antrag wurde mit dem unerwarteten Urteil der Verfassungskammer nun hinfällig.

Bewohner:innen aus den betroffenen Gemeinden, die über drei Wochen lang vor dem Gerichtsgebäude protestierten und permanenter Diffamierung und Bedrohung ausgesetzt waren, sagen, dass sie in ihrem Engagement nicht nachlassen werden, bis Inversiones Las Pinares seine irregulären Tagebaue im Wassereinzugsgebiet des Nationalparks Montaña de Botaderos Carlos Escaleros aufgibt. Das CMDBCP fordert zudem Ermittlungen gegen die Drahtzieher hinter der Kriminalisierung der Umweltschützer aus Guapinol und Sector San Pedro.