Reaktionen aus Lateinamerika zum Ukraine-Krieg

Regierungen nehmen zum Konflikt in der Ukraine Stellung. Kritik an Russland überwiegt. Appelle für diplomatische und friedliche Lösung. Auch die Rolle der Nato wird hinterfragt

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Sitzung des UN-Sicherheitsrates am 25. Februar. Brasilien und Mexiko nahmen als nichtständige Mitglieder teil
Sitzung des UN-Sicherheitsrates am 25. Februar. Brasilien und Mexiko nahmen als nichtständige Mitglieder teil

Buenos Aires, Brasília et al. In den Tagen nach dem Einmarsch der russischen Armee in der Ukraine haben sich zahlreiche Regierungen aus Lateinamerika zu dem Konflikt geäußert. Die Ablehnung des Krieges und der Ruf nach einer diplomatischen und friedlichen Lösung des Konflikts sind einhellig, während in der Analyse der Konfliktursachen gewisse Unterschiede bestehen.

Das argentinische Außenministerium lehnte in einer Mitteilung "den Einsatz von Waffengewalt entschieden ab und bedauert zutiefst die Eskalation der Lage in der Ukraine". Die Prinzipien der Charta der Vereinten Nationen müssten "ohne Zweideutigkeit" eingehalten werden. Russland wird aufgefordert, die Militäraktionen in der Ukraine einzustellen. "Gerechte und dauerhafte Lösungen können nur durch den Dialog und gegenseitige Verpflichtungen erreicht werden, die die notwendige friedliche Koexistenz gewährleisten." Es sei zwingend erforderlich, dass alle Beteiligten mit äußerster Umsicht handelten "und den Konflikt in all seinen Aspekten jetzt deeskalieren, um Frieden und umfassende Sicherheit für alle Nationen zu gewährleisten", heißt es in dem Text weiter.

Die brasilianische Regierung appellierte in einer ersten Stellungnahme vom 24. Februar, alle Feindseligkeiten seien einzustellen, um über eine diplomatische Lösung auf der Basis der Minsker Abkommen zu verhandeln, welche "die legitimen Sicherheitsinteressen aller involvierten Parteien und den Schutz der Zivilbevölkerung berücksichtigt".

Brasilien ist derzeit nichtständiges Mitglied im UN-Sicherheitsrat. Der Botschafter des Landes erklärte bei der Sitzung am vergangenen Freitag, die Beendigung der Kämpfe sei das oberste Ziel, gleichzeitig müssten auch die Bedingungen für einen Dialog auf internationaler Ebene geschaffen werden. Die von Russland geäußerten Sicherheitsinteressen, welche die brasilianische Regierung kurz vor Kriegsausbruch als "legitim" bezeichnet hatte, gäben Russland keine Berechtigung, die territoriale Integrität und Souveränität eines anderen Staates zu bedrohen.

Brasilien stimmte für die von den USA und Albanien eingebrachte Resolution gegen den Krieg in der Ukraine. Die Russische Föderation legte ein Veto ein, China, Indien und die Vereinigten Arabischen Emirate enthielten sich der Stimme. Nun wird der Entwurf bei einer Sondersitzung der UN-Generalversammlung vorgelegt, in der kein Land ein Veto-Recht hat.

Chiles Außenamt verurteilte die "Aggression gegen die Ukraine" und rief Russland auf, "seine Truppen zurückzuziehen, die territoriale Integrität und Souveränität der Ukraine zu respektieren und den Verlust unschuldiger Menschenleben sowie materielle Schäden zu vermeiden".

Die Regierung Perus berief sich ausdrücklich auf die Stellungnahmen von UN-Generalsekretar Antonio Guterres und die UN-Charta, um die Verletzung der Souveränität und territorialen Integrität der Ukraine zu verurteilen. Es brauche Verhandlungen, um die Spannung abzubauen und eine diplomatische und friedliche Lösung zu finden. Eine umfassende und dauerhafte Lösung des Konflikts müsse zudem die legitimen Interessen und die Sicherheit aller beteiligten Parteien berücksichtigen.

Mexikos Außenminister Marcelo Ebrard meldete sich mit einer Videobotschaft zu Wort. "Mexiko verurteilt diese Invasion aufs Schärfste und fordert einen sofortigen Waffenstillstand, um eine diplomatische Lösung zu ermöglichen, die die Bevölkerung schützt und Leid vermeidet", sagte er. Diese Haltung begründete er nicht nur mit der notwendigen Einhaltung des internationalen Rechts, sondern auch mit der Geschichte Mexikos, das selbst zwei französische und zwei US-amerikanische Invasionen erlitten habe.

Mexiko ist derzeit ebenfalls nichtständiges Mitglied im Sicherheitsrat und stimmte für die Resolution. Der mexikanische UN-Botschafter Juan Ramón de la Fuente Ramírez erklärte bei der Sitzung, das Land lehne die Anwendung von Gewalt ab, seine Außenpolitik sei auf der Grundlage der UN-Charta auf den Frieden ausgerichtet. Er rief die Parteien auf, die Feindseligkeiten zu beenden.

Kolumbiens Präsident Iván Duque wies in einer Ansprache "den Angriff auf das ukrainische Volk" zurück. Dieser sei "eine Bedrohung für den Weltfrieden und die Stabilität Europas", eine Missachtung des internationalen Rechts und gefährde überdies die wirtschaftliche Erholung der Welt, könne zu schweren Verwerfungen an den internationalen Märkten führen und die Inflation anheizen. Kolumbien spreche sich "kategorisch gegen den Krieg aus", so Duque, der die Verhängung von Sanktionen gegen Russland befürwortete.

Als einziges Land Lateinamerikas hat Kolumbien den Status als "globaler Partner" der Nato und war unter anderem an der Nato-Operation Ocean Shield am Horn von Afrika beteiligt. Laut Medienberichten, die sich auf Quellen im Verteidigungsministerium berufen, prüfe der Befehlshaber für Spezialoperationen, General Jorge Hoyos, derzeit die Möglichkeit der Entsendung von Soldaten in die Ukraine. Verteidigungsgsminister Diego Molano erklärte dazu, dass es noch keine feste Entscheidung darüber gebe, sodass diese Maßnahme zunächst einmal völlig ausgeschlossen sei.

Die Regierung Boliviens drückte ihre "Besorgnis" über die Ereignisse aus und beklagte, "dass der Mangel an Dialog und Verständigung zu einer weiteren Eskalation des Konflikts geführt hat". Bolivien rief die Konfliktparteien auf, "politisch-diplomatische Lösungen im Rahmen des internationalen Rechts und der Charta der Vereinten Nationen zu suchen". Sie appelliert an "alle Konfliktparteien", eine friedliche Lösung auf der Grundlage "eines konstruktiven Dialogs und nach Treu und Glauben zu erreichen, damit die legitimen Sicherheitsanliegen der Parteien berücksichtigt werden".

Venezuela ging in einer Stellungnahme vom 24. Februar auch auf die Minsker Abkommen ein und beklagte deren Bruch "durch die Nato auf Betreiben der USA". Die Missachtung dieser Abkommen habe eine "große Bedrohung der territorialen Integrität und Souveränität der Russischen Föderation" mit sich gebracht und gute Beziehungen zwischen den Nachbarstaaten verunmöglicht. Die Regierung von Nicolás Maduro rief dazu auf, den Konflikt diplomatisch und im Dialog zu lösen. Gleichzeitig sprach sie sich gegen "Sanktionen und wirtschaftliche Angriffe gegen das russische Volk" aus, "die die Wahrnehmung seiner Menschenrechte massiv beeinträchtigen".

Kubas Außenministerium bekräftigte, dass Kuba "die Anwendung oder Androhung von Gewalt gegen jeden Staat ablehnt". Das kubanische Volk habe "weiterhin eine enge Beziehung zum ukrainischen Volk". Auch Kuba verwies auf den seit Jahren andauernden Konflikt zwischen der Nato und Russland. "Die Entschlossenheit der USA, die schrittweise Erweiterung der Nato in Richtung der Grenzen der Russischen Föderation fortzusetzen, hat zu einem Szenario mit unvorhersehbaren Folgen geführt, das hätte vermieden werden können", heißt es in der Mitteilung. Es sei ein Fehler gewesen, "jahrzehntelang die begründeten Forderungen Russlands nach Sicherheitsgarantien zu ignorieren". Kuba setze sich für "eine ernsthafte, konstruktive und realistische diplomatische Lösung der gegenwärtigen Krise in Europa mit friedlichen Mitteln ein, die die Sicherheit und Souveränität aller sowie den regionalen und internationalen Frieden, die Stabilität und die Sicherheit gewährleistet".