Brasilien: Linke und Rechte hadern mit Verurteilung Russlands im Ukraine-Krieg

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Brasiliens Präsident Jair Bolsonaro zu Besuch im Kreml Mitte Februar 2022
Brasiliens Präsident Jair Bolsonaro zu Besuch im Kreml Mitte Februar 2022

Brasília. Auch eine Woche nach Russlands Angriff auf die Ukraine haben es die beiden aussichtsreichsten Präsidentschaftskanditen vermieden, Russland offen für seine Invasion zu verurteilen. Zwar kritisierten sowohl der amtierende Präsident Jair Bolsonaro (PL) als auch sein linker Herausforderer Luiz Inácio Lula da Silva (PT) die Verletzung der Souveränität der Ukraine, beide stehen aber Sanktionen – aus unterschiedlichen Gründen – ablehnend gegenüber und beließen es dabei, die "Konfliktparteien zum Dialog" aufzurufen.

Am Rande seines Strandurlaubs erklärte der Präsident, dass Brasilien neutral bleiben sollte: "Im Konflikt zwischen Russland und der Ukraine werden wir keine Partei ergreifen und wenn möglich bei der Suche nach einer Lösung helfen." Dabei begründete er seine Zurückhaltung mit ökonomischen Interessen. Sich den Sanktionen anzuschließen, "kann unserer Landwirtschaft massiven Schaden zufügen", so Bolsonaro. Brasiliens Landwirtschaft bezieht fast 70 Prozent seiner Pestizide aus Russland und Belarus. Ein Einfuhrstopp würde den wichtigsten Wirtschaftssektor des Landes zum Erliegen bringen.

Brasilien votierte bei der Generalversammlung der Vereinten Nationen am Mittwoch in New York für die UN-Resolution, die Russlands Einmarsch verurteilt, indes sprach sich der brasilianische UN-Botschafter, Ronaldo Costa Filho, gegen Waffenlieferungen an die Ukraine und gegen Sanktionen aus. Diese könnten zu Hunger in Russland führen. Erneut warnte er vor einer direkten Konfrontation zwischen der Nato und Russland: "Es ist unsere Aufgabe, die Eskalation zurückzudrehen."

Kritik an Bolsonaro kam auf, als er die Rolle Wladimir Putins herunterspielte. Auf Nachfragen von Journalist:innen nach Bewertung des russischen Bombardements auf zivile Ziele sagte er, man solle nicht übertreiben. "Es gibt kein Interesse von einem Staatschef wie dem von Russland, irgendwo Massaker zu verüben." Die Gespräche, die er mit Putin bislang führte, seien stets auf "allerhöchstem Niveau" gewesen, so Bolsonaro über seinen Amtskollegen, den er wenige Tage vor dem Angriff in Moskau besuchte.

Bolsonaros Nähe zu Putin hat bereits zu Spannungen mit der Basis geführt und könnte ihm wichtige Unterstützer:innen kosten, urteilen Beobachter:innen. Viele seiner Anhänger:innen hängen einer Logik des Kalten Krieges an und sehen Russland als Fortsetzung der UdSSR. Bolsonaros ehemaliger Außenminister und einer der führenden antikommunistischen Kräfte im Land, Ernesto Araújo, warnte vor einer "russisch-chinesischen Achse". Auch die reaktionäre Bewegung "Brasil Sem Medo", die 2018 für die Wahl Bolsonaros warb, "betete" dafür, "dass die Regierung die russische Invasion ablehnt, die von einem Ex-Agenten des KGB geführt wird", kommentierte die Gruppe.

Indes tut sich auch die brasilianische Linke in der Bewertung des Krieges schwer. Während einige den Konflikt in Osteuropa als Fortsetzung des Kalten Krieges verstehen und den russischen Überfall als notwendige Reaktion auf eine westliche Expansion deuten, lehnen andere diesen unter Verweis auf das Selbstbestimmungsrecht der Völker ab.

Der ehemalige Außenminister der Arbeiterpartei (PT) und wichtigster außenpolitischer Berater von Luiz Inácio Lula da Silva, Celso Amorim, erklärte, dass "ein großer Teil der Schuld, der Verantwortung, bei den USA und der Erweiterung der Nato liegt". Lula selbst ist einer deutlichen Haltung bisher ausgewichen. Zwar verurteilte er den russischen Einmarsch in der Ukraine als Völkerrechtsbruch, fand zur Verantwortung Russlands am Krieg aber keine Worte.

Die Arbeiterpartei PT, Brasiliens größte Partei, hat ihren früheren Standpunkt revidiert und wendet sich, unter Verweis auf das Selbstbestimmungsrecht der Völker, gegen die russische Aggression, ohne der Nato eine Mitverantwortung zu geben, lehnt aber auch die Sanktionen und die militärische Unterstützung der Ukraine ab.

Andere linke Parteien kommen kaum ohne die Zuweisung einer Mitverantwortung der Nato für den russischen Angriff aus. Während die Kommunistische Partei Brasiliens die Nato-Erweiterung als Grund des Krieges anführt, fordert die Freiheitlich-sozialistische Partei PSOL den unmittelbaren Rückzug der russischen Truppen aus der Ukraine sowie der Nato-Truppen aus der Region und die Erfüllung des Minsker-Abkommens. Einzig die sozialistische Partei PSB verurteilte den russischen Einmarsch, ohne diesen als Folge westlicher Bedrohungen zu relativieren. "Gerade als Antiimperialisten müssen wir auf dem Selbstbestimmungsrecht bestehen", so Flávio Dino, PSB-Gouverneur des Bundesstaates Maranhão.