Kolumbien / Politik

Linke in Kolumbien feiern Wahlergebnisse

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Gustavo Petro dankt seinen Wähler:innen: einen Schritt näher an einer realen Veränderung für das Land
Gustavo Petro dankt seinen Wähler:innen: einen Schritt näher an einer realen Veränderung für das Land

Bogotá. Seit Sonntagabend herrscht in Kolumbien Feierstimmung innerhalb der linken und alternativen politischen Lager. Trotz Ausgangssperre und Alkoholverbot am Wahlwochenende wurde seit den ersten Hochrechnungen auf den Straßen des Landes gefeiert, denn die Linkskoalition ist zum ersten Mal in Kolumbien eine der führenden Kräfte im Senat, in der Abgeordnetenkammer und in der Vorwahl der Präsidentschaftskandidaten.

Die Liste des Pacto Histórico ist eine bunte Repräsentation der emanzipatorischen Kräfte im Land und ist nun gleichstark vertreten wie die beiden traditionellsten Parteien, die Liberalen und die Konservativen.

Montagmorgen wurden dann die offiziellen Zahlen bekannt: Nach Auszählung von 99 Prozent der Stimmen bei den Parlamentswahlen verfügt der Pacto Histórico über 16 der 108 Sitze im Senat, genauso viele wie die Konservativen und einen mehr als die Liberalen (15). Gefolgt von den Grünen und dem rechten Centro Democrático mit jeweils 14 Sitzen.

In der Abgeordnetenkammer werden 165 reguläre Sitze und 16 zusätzliche für die im Friedensabkommen ausgehandelten Sonderzonen vergeben. Stärkste Partei sind auf den ersten Blick die Liberalen (32), gefolgt vom Pacto Histórico (25). Zu den 25 Sitzen werden allerdings 9 weitere Sitze gezählt, die der Pacto in regionalen Bündnissen erreicht hat. Zudem ist davon auszugehen, dass die Sondersitze der Indigenen und Afro-Kolumbianer sowie der Friedenszonen mit dem Pacto koalieren werden. Gefolgt werden diese beiden stärksten Kräfte von den drei großen rechten Parteien Konservative (25), Centro Democrático (16) und Partido de la U (15).

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Endlich eine gute Nachricht aus dem von Konflikten erschütterten Land: Francia Márquez (rechts im Bild) ist die Gewinnerin der Protestbewegung
Endlich eine gute Nachricht aus dem von Konflikten erschütterten Land: Francia Márquez (rechts im Bild) ist die Gewinnerin der Protestbewegung

Bei den Vorwahlen der Präsidentschaftskandidaten liegt der linke Gustavo Petro mit 4.487.551 Stimmen mit deutlichen Abstand vorne, gefolgt vom rechten Kandidaten Federico "Fico" Gutiérrez mit 2.160.329 Stimmen. Die drittstärkste Kandidatin ist Francia Márquez vom Pacto Histórico mit 783.160 Stimmen. Der Erfolg der Afroaktivistin ist die größte Überraschung der Wahl.

Die politische Mitte wurde vollkommen abgehängt, mit Sergio Fajardo als stärkstem Kandidaten mit lediglich 723.084 Stimmen.

Die Vorwahlen waren zusätzlich zu den Kongresswahlen und in vielen Wahllokalen wurden diese dritten Wahlscheine nur auf Anfrage herausgegeben. Pro wahlberechtigter Person durfte nur an einer Wahl teilgenommen werden. Die Wähler mussten also entscheiden, für welches Bündnis sie abstimmen wollten. Die Gewinner werden am 29. Mai bei den Präsidentschaftswahlen gegen andere weitere Kandidaten antreten.

Die Ergebnisse mobilisieren nun die Rechte. So bekam "Fico" Gutiérrez noch am Sonntag Unterstützung von seinen politischen Freunden aus dem Lager von Àlvaro Uribe zugesichert, woraufhin er äußerte: "Petro, du bist Chávez und Maduro, ich bin weder Uribe noch Duque. Ich bin Fico und ich werde der Präsident des Volkes sein." Obwohl Gutiérrez von militanten Uribisten unterstützt wird, könnte ihn die öffentliche Verbindung mit dem unpopulären Präsidenten Iván Duque und seinem politischen Ziehvater Uribe an Glaubwürdigkeit kosten.

Wie auch bei den letzten Wahlen fallen die Ergebnisse nach Regionen stark auseinander: So wurde in Antioquia und der Hauptstadt des Departamentos de Medellín eher rechts gewählt. In Bogotá, dem Valle de Cauca und Cali dagegen war der Pacto Histórico großer Favorit.

Wie bei jeder Wahl in den letzten Jahrzehnten ist die Berichterstattung getränkt von gegenseitigen Beschuldigungen der Wahlmanipulation.

Der Wahlkampfleiter von Álex Char aus dem rechten Lager erklärte: "Einige Wahllokale bieten nur die Stimmzettel des Pacto Histórico und des Centro Esperanza an, nicht aber vom unserem Equipo por Colombia."

Vertreter des Pacto Histórico fordern ihrerseits eine Neuauszählung der Stimmen in mindestens 29.000 Wahllokalen. Dort seien entweder gar keine Stimmen für den Pacto abgegeben worden oder Unregelmäßigkeiten auf den Auszählungsformularen festgestellt worden.