Brasilien / Politik

Proteste begleiten Deutschlandbesuch von Sérgio Moro aus Brasilien

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Proteste gegen Bolsonaros Ex-Minister Sérgio Moro in Hamburg
Proteste gegen Bolsonaros Ex-Minister Sérgio Moro in Hamburg

Hamburg. Der brasilianische Präsidentschaftskandidat Sérgio Moro hat am Dienstag in Hamburg vor Wirtschaftsvertreter:innen gesprochen und um Unterstützung geworben. Kritiker:innen protestierten gegen den Auftritt des ehemaligen Justizministers von Jair Bolsonaro.

Als Richter hatte Moro im Jahr 2017 den damals aussichtsreichsten Präsidentschaftskandidaten Luiz Inácio Lula da Silva in einem politisch motivierten Verfahren verurteilt und damit die Wahl Bolsonaros ermöglicht.

Die Bühne im geschützten Raum einer privaten Rechtshochschule nutzte Moro, um sich als Kandidat der Märkte zu inszenieren. Im Fall eines Wahlsieges wolle er die Rechte von Unternehmen stärken, Korruption erschweren und für weniger Einfluss des Staates sorgen, erklärte Moro. Die größten Herausforderungen für die brasilianische Demokratie seien die Korruption, Bolsonaros Drohungen gegen staatliche Institutionen und eine Politik, die sich in die Wirtschaft einmische. Er äußerte sich mit keinem Wort zu sozialen Fragen, obwohl derzeit Millionen von Brasilianer:innen wieder von Armut betroffen sind.

Zugleich ging er auf Distanz zu den beiden aussichtsreichsten Präsidentschaftskandidaten, Bolsonaro und dessen linken Herausforderer Lula, die durch den Lagerwahlkampf immer weniger Raum für Dritte lassen. Er sehe beide nicht als authentische Demokraten, so Moro, der bis 2019 eine der wichtigsten Stützen des rechtsautoritären Bolsonaros war. "Ich habe viel Hoffnung, dass wir der Polarisierung zwischen den zwei Extremen entgehen". In der Bevölkerung scheint es derweil wenig Interesse an einem dritten Kandidaten zu geben: In den aktuellen Umfragen ist Moro von zehn auf sieben Prozent abgerutscht und teilt sich den dritten Platz mit dem sozialdemokratischen Kandidaten Ciro Gomes.

Applaus erhielt Moro von den versammelten deutschen Unternehmer:innen, die 2018 mehrheitlich auf Bolsonaro setzten, für antilinke Klischees. Den Sozialdemokraten Lula da Silva, der in seiner Amtszeit die Marktintegration Brasiliens unter Beteiligung großer Konzerne vorangetrieben hatte, bezeichnete Moro als "altmodischen Sozialisten", der gedanklich in der Zeit von vor dem Fall der Berliner Mauer verhaftet sei.

Den Vorwurf, er hätte als Richter der Korruptionsbehörde Lava Jato politische Ziele verfolgt und mit der Staatsanwaltschaft gegen Lula zusammengearbeitet, wies Moro zurück.

"Für ihn scheinen ermittlungsrelevante Absprachen mit der Staatsanwaltschaft normal zu sein. Es verwundert sehr, wenn sich der oberste Korruptionsbekämpfer des Landes so rechtfertigt", kommentierte die Aktivistin Mel da Silva gegenüber amerika21. Im Jahr 2019 hatte das Oberste Bundesgericht (STF) Moro für "befangen" und "parteiisch" erklärt, all seine Urteile kassiert und die laufenden Ermittlungen des Ex-Richters gegen Lula eingestellt.

Bereits vor dem Auftritt hatte es Proteste gegen Moro gegeben. Demonstrant:innen protestierten vor dem Gebäude gegen dessen Auftritt, unter Schmährufen eilte Moro ins Gebäude. Plakate verglichen ihn mit Bolsonaro.

Zuvor hatten sich die zwei Hamburger Kollektive ComUnidade Brasil-Alemanha und Miradas Feministas mit einer Protestnote an die austragende Bucerius Law School gewandt und auf die unrühmliche Rolle Moros beim Machtgewinn Bolsonaros verwiesen. "Sérgio Moro war eine Schlüsselfigur in der Dekonstruktion der noch jungen und fragilen brasilianischen Demokratie", heißt es in dem Schreiben. Sein öffentlicher Auftritt in Hamburg sei ein böses Zeichen für in der Hansestadt lebende Brasilianer:innen.

Korrektur: In einer früheren Version des Artikels stand, dass Demonstrant:innen die Zufahrt zum Gebäude blockierten. Dies wurde in "protestierten vor dem Gebäude" geändert.