Landesweite Streiks in Peru wegen Erhöhung der Kraftstoffpreise

Proteste haben sich trotz einer Einigung zwischen Regierung und Gewerkschaften ausgeweitet. Regierung ruft in zwei Städten den Ausnahmezustand aus

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Premierminister Torres, ein Gewerkschaftsvertreter, Präsident Castillo und der Minister für Verkehr und Kommunikation Bustamante (von links nach rechts) nach den Verhandlungen
Premierminister Torres, ein Gewerkschaftsvertreter, Präsident Castillo und der Minister für Verkehr und Kommunikation Bustamante (von links nach rechts) nach den Verhandlungen

Lima. Die Regierung von Peru hat nach den teils gewaltsamen Protesten eine kurzzeitige Ausgangssperre für Lima verhängt. Sie endete um Mitternacht in der Nacht zum Mittwoch und ist also schon wieder aufgehoben. In Lima und der Hafenstadt Callao wurde der Ausnahmezustand ausgerufen, wodurch die verfassungsmäßigen Rechte auf persönliche Freiheit und Sicherheit, "die Unverletzlichkeit der Wohnung sowie die Versammlungs- und Reisefreiheit" außer Kraft gesetzt sind.

An den landesweiten Streiks gegen erhöhte Treibstoffpreise in Folge des Ukraine-Kriegs beteiligten sich Gewerkschaften, Menschen aus dem Transportsektor, Landwirt:innen, Händler:innen und andere. Die aktuelle Situation stellt nach zwei misslungenen Amtsenthebungsversuchen die bislang größte Regierungskrise des seit acht Monaten amtierenden Präsidenten Pedro Castillo dar. In Huancayo, Hauptstadt der Region Junín und einer der Mittelpunkte der Proteste, wurden am Wochenende 15 Zivilist:innen und Polizist:innen verletzt.

Am Montag ist es in vielen Städten zu Ladenplünderungen gekommen. Die sozialen Medien waren kurzfristig mit zahlreichen Videos von Passant:innen überschwemmt, die Plünderungen zeigen. Die Bilder, Zeug:innenaussagen und Videos wurden nicht von der Presse bestätigt. In Lima rief die Stadtverwaltung dazu auf, das Haus nicht zu verlassen und viele Geschäfte, Banken und Schulen schlossen frühzeitig. Auch am Dienstag blieben viele Geschäfte aus Angst vor erneuten Plünderungen geschlossen.

Bei einem Treffen am 3. April in Huancayo mit Präsident Castillo, Premierminister Aníbal Torres, dem Minister für Verkehr und Kommunikation, Nicolas Bustamante, und Vertreter:innen der Nationalen Front der Transporteure und Fahrer von Schwerlasttransporten war zunächst eine Vereinbarung zur Beendigung des Streiks erzielt worden. "Ich begrüße dieses Abkommen und bestätige die Dialogbereitschaft und das Engagement des Ministeriums, den Transporteuren eine bessere Lebensqualität zu garantieren und der Bevölkerung einen besseren Service zu bieten", sagte Bustamante nach dem Treffen. 

Im Gegenzug kündigte die Regierung eine Reduzierung der Verbrauchssteuer auf Kraftstoffe an, um die Preise zu senken. Dies soll nicht nur dem streikenden Transportsektor zugutekommen, sondern auch den Anstieg der Preise für Lebensmittel und andere Grunderzeugnisse verhindern, der die Familien betrifft. Castillo betonte seine Bereitschaft, sich für die Lösung der sozialen Probleme einzusetzen, und wies darauf hin, dass er der ersten Partei angehöre, die an der Lösung der Konflikte im Land interessiert sei.

"Wir werden gemeinsam mit euch regieren, und solange ihr kämpft, solltet ihr euch nicht von uns distanzieren. Wir werden sehen, wie wir einige Gesetzesentwürfe vorlegen können, damit diese Initiativen gemeinsam bearbeitet werden können und der Bevölkerung zugutekommen", sagte er.

Castillo hatte durch sein Handeln zu Beginn des Streiks an Zuspruch verloren. Die mangelnde Aufmerksamkeit seitens der Regierung beim Streikauftakt am 28. März sowie die Aussage des Präsidenten, dass einige Transportarbeiter:innen "bezahlt" worden seien, um zu streiken, verstärkte die Proteste. Dahinter steht die Vermutung, dass die Ultrarechte Castillo und seine Partei Perú Libre durch das Anfeuern der Proteste schwächen möchte. Der Präsident entschuldigte sich daraufhin und dankte den Verkehrsgewerkschaften für ihre landesweite Präsenz.

Außerdem gibt es Stimmen, die die Regierung für die erhöhten Kraftstoff- und Lebensmittelpreise verantwortlich machen. Diese Erhöhungen sind aber auf die steigenden Transportkosten und den andauernden Streik des Transportsektors zurückzuführen. Der Präsident erinnerte an den Einfluss von externen Faktoren, also vor allem dem Ukraine-Krieg, auf die Treibstoffpreise. Die Regierung könne diese aufgrund der derzeitigen Wirtschaftspolitik nicht kontrollieren. 

Castillo hat am Sonntag betont, er verpflichte sich, dauerhafte Lösungen für die sozialen und wirtschaftlichen Probleme des Landes zu finden. Er versprach, dass seine Regierung das Recht auf Dialog und sozialen Protest garantiere und die strafrechtliche Verfolgung von Gewerkschaftsführern, die einen gerechten und legitimen Kampf führen, ausschließe. Des Weiteren wies er darauf hin, dass die Probleme in der Landwirtschaft und im Bildungswesen struktureller Natur sind und vor mehreren Jahrzehnten entstanden. Er wolle die grundlegenden Probleme angehen, die zu den Mobilisierungen geführt haben, statt die Proteste nur kurz zu beschwichtigen.

Ministerpräsident Torres verwies auf den "Waffenstillstand", der mit einigen der in der Stadt Huancayo streikenden Sektoren vereinbart wurde, sowie auf die angekündigte Reduzierung der Steuern auf Kraftstoff und Grundnahrungsmittel, um die Preise zu senken. "Wir zeigen mit Nachdruck, dass wir soziale Konflikte durch Dialog und Einigung lösen können", sagte er.

Die Minister für Inneres und Außenhandel bestätigten am Sonntag vier Todesfälle als indirekte Folge der Plünderungen und des Vandalismus in der zentralen Andenstadt Huancayo während einer Straßenblockade. Innenminister Alfonso Chávarry versicherte zwar, dass die Polizei für keinen der Todesfälle verantwortlich sei, da die Behörde "sehr umsichtig gehandelt hat". Allerdings starb im Zuge der Proteste neben zwei Verkehrstoten ein 13-jähriges Kind, das in einen Fluss gefallen und ertrunken ist, als es vor Beamten im Einsatz mit Tränengas floh.

Die zwischen der Regierung und den Verkehrs- und Landwirtschaftsgewerkschaften erzielte Vereinbarung hat die Erwartungen weiterer Gewerkschaften nicht erfüllt, weshalb sich den Protesten nun weitere Akteure wie 2.000 Busfahrer:innen aus der Region Cusco angeschlossen haben.