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Mexiko schlingert im Nationalisierungskurs um Ressourcen und Energie

Regierung von Präsident López Obrador scheitert mit ihrer Energiereform, ist aber erfolgreich bei der Verstaatlichung des Lithiums

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Der Palacio Legislativo de San Lázaro in Mexiko-Stadt, Sitz des Parlaments und wichtiges Schlachtfeld von Amlos Verstaatlichungskurs
Der Palacio Legislativo de San Lázaro in Mexiko-Stadt, Sitz des Parlaments und wichtiges Schlachtfeld von Amlos Verstaatlichungskurs

Mexiko-Stadt. Das Abgeordnetenhaus in Mexiko hat die Reform der Verfassung abgelehnt, die vorsah, den staatlichen Unternehmen 54 Prozent der Stromerzeugung zu garantieren. Mit dieser Reform sollte die Öffnung des Strommarktes, die 2013 unter der neoliberalen Regierung von Präsident Enrique Peña Nieto durchgesetzt wurde, wieder rückgängig gemacht worden. Für die Änderung der Verfassung war eine zweidrittel Mehrheit erforderlich, die mit nur 275 von 332 nötigen Stimmen klar verfehlt wurde.

Die Rückkehr zu einem staatlich kontrollierten Energiemarkt sowie die Nutzung der natürlichen Ressourcen "zum Wohle der Gesellschaft" zählt zu den langfristigen Zielen der Partei des amtierenden Präsidenten Andrés Manuel López Obrador (Amlo), Morena. Der Regierung zufolge hatte die Reform das Ziel, den Stromsektor zu modernisieren, die Preise zu senken, höhere Produktionsstandarts zu setzen, sowie die Transparenz der Branche zu verbessern.

Gegner:innen des Projektes kritisierten, dass es im Gegenteil die Preise erhöhen, den Wechsel zu grünen Energien durch die Bevorzugung des nicht-nachhaltigen Stroms der staatlichen Unternehmen zurückwerfen und die Attraktivität Mexikos für ausländische Investitionen drastisch senken würde.

Da seit der Liberalisierung 2013 private Unternehmen aus den USA Milliarden Dollar in Mexikos Energiesektor investiert haben, wurde außerdem befürchtet, dass ein Wechsel der Regeln auf dem mexikanischen Markt zu "außenpolitischen Verstimmungen" führen könnte. Dies gilt besonders, da das Freihandelsabkommen USMCA zwischen den USA, Mexiko und Kanada es verbietet Gesetze zu erlassen, die staatliche oder einheimische Unternehmen bevorzugen.

Die Debatte um die geplante Reform wurden mit harten Bandagen geführt. Amlo bezeichnet die Abgeordneten der Opposition, die dagegen gestimmt haben, als "Verräter" und droht ihnen mit 40 Jahren Haft, da sie die mexikanischen Interessen verkauft hätten. Dieser Vorwurf wird von seinen Gegner:innen zurückgewiesen und der Präsident der Lüge und Manipulation bezichtigt.

Selbst in den eigenen Reihen gibt es Kritik. Mit Verweis auf den Streit, den Amlo seit Monaten mit der Wahlbehörde führt, verwies der Morena-nahe Publizist John Ackerman darauf, dass die Partei selbst auch eine Mitschuld trage und nicht alles "die Schuld der äußeren Gegner, der Verräter aus den alten Parteien, der an die Oligarchie verkauften Medien oder der falschen Demokraten, die die Wahlbehörden leiten" sei.

Amlo ist durch die Ablehnung seiner Energiereform angeschlagen, behält seinen Kurs der Nationalisierung von Energie und Ressourcen jedoch bei.

Am vergangenen Dienstag nutzte er die einfache Mehrheit seiner Regierung, um ein Gesetz zu erlassen, das die Lithiumvorkommen verstaatlicht. Private Unternehmen sollen keine Konzessionen für eine künftige Förderung des Minerals erhalten.

Kritiker:innen halten Amlo vor, dass er selbst im Jahr 2020 die Verstaatlichung des Lithiums noch für unnötig erklärt hatte. Außerdem, so der Verband der Bergbauingenieure, seien die Kosten und Risiken des Abbaus zu hoch, um durch die öffentliche Hand getragen zu werden.

Morena-Senatorin Citlali Hernández ließ jedoch bereits durchblicken, dass der Staat für Teile der Lithiumproduktionskette mit Privatfirmen kooperieren könnte.

Lithium gilt als elementar für die Produktion von Batterien, in den kommenden Jahrzehnten wird mit einer stark steigenden Nachfrage gerechnet.

Mexiko verfügt über große Mengen an dem Rohstoff. Allein in Bacanora im Bundesstaat Sonora liegen die größten nachgewiesenen Reserven eines einzelnen Vorkommens. Ein anderes lateinamerikanisches Land, das über riesige Lithiumbestände verfügt und einen ähnlichen Kurs der Verstaatlichung eingeschlagen hat, ist Bolivien. Beide Staaten haben eine enge Kooperation vereinbart, die unter anderem einen wissenschaftlichen Ausschuss und ein technisches Team vorsieht, um gemeinsame Projekte in der Gewinnung, Herstellung und Verarbeitung des Minerals auszuloten.

Der Kurs um das mexikanische Lithium ist also vorerst entschieden, die Frage der Energieversorgung hingegen nicht.

Trotz seiner Niederlage im Abgeordnetenhaus kann Amlo noch hoffen. Zwar wurde die Verfassungsreform abgeschmettert, jedoch lehnte der oberste Gerichtshof kürzlich erst die Verfassungsklage gegen eine Gesetzesinitiative aus dem März 2021 ab. Dieses hätte vergleichbare Folgen wie die abgelehnte Reform, kommt aber ohne eine Änderung der Verfassung aus. Die Verfassungsklage hatte ein Inkrafttreten des Gesetzes bislang verhindert.

Laut Oscaro Ocampo, Leiter des Instituts für Wettbewerbsfähigkeit, bedeutet das Urteil jedoch bislang nur eine Art Schwebezustand: Die Richter:innen hätten das Gesetz von 2021 zwar nicht für verfassungswidrig, jedoch auch nicht für verfassungskonform erklärt. Konkret bedeutet dies, dass das Gesetz zwar nicht gegen die Verfassung verstößt, die immer noch dagegen laufenden Einzelklagen jedoch ebenfalls zulässig sind. Darüber müssen die Gerichtshöfe nun im Einzelnen entscheiden.

Der Ausgang des Streits um die Richtung des mexikanischen Strommarktes bleibt daher weiterhin offen.