Kolumbien / Militär / Politik

Vorwahlzeit in Kolumbien: Armee-Chef attackiert linken Kandidaten Gustavo Petro

Sorge um Nicht-Anerkennung eines möglichen linken Wahlsiegs durch das Militär. Rechter Kandidat und Präsident Duque verteidigen Angriff gegen Petro

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General Eduardo Enrique Zapateiro äußert sich aggressiv gegen den linken Kandidaten und Spitzenreiter in den Umfragen, Gustavo Petro
General Eduardo Enrique Zapateiro äußert sich aggressiv gegen den linken Kandidaten und Spitzenreiter in den Umfragen, Gustavo Petro

Bogotá. Der Oberbefehlshaber der kolumbianischen Streitkräfte, General Eduardo Enrique Zapateiro, hat den aussichtsreichsten Präsidentschaftsanwärter, den Kandidaten der Linken Gustavo Petro, auf Twitter angegriffen.

Das Verhalten des Generals rief breite Ablehnung hervor. Zum einen bedeutet sein Angriff einen Bruch mit der verfassungsmäßigen Verpflichtung der Militärs zur Neutralität. Zum anderen rief er große Besorgnis um die Unterordnung der Streitkräfte unter Petro hervor, sollte dieser die Wahlen gewinnen. Auch werden Stimmen lauter, die in Frage stellen, ob die Streitkräfte einen Sieg des oppositionellen Kandidaten überhaupt anerkennen würden

Konkret beschuldigte Zapateiro Petro, in der Vergangenheit illegales Geld erhalten zu haben. Auf diese Weise reagierte der Armeekommandant auf eine Kritik des Kandidaten des progressiven Bündnisses Pacto Histórico anlässlich der Tötung von sechs Soldaten durch das Drogensyndikat Clan del Golfo.

Petro sagte in einer Wahlkampfrede: "Während die Soldaten vom Clan del Golfo ermordet werden, stehen manche Generale auf der Gehaltsliste des Clans. Die Militärführung wird korrupt, wenn die Klientelpolitiker des Drogenhandels diejenigen sind, die am Ende die Generale befördern". Petro bezog sich auf die jüngsten Skandale über zwei hochrangige Militärs, die offenbar mit Drogenbanden kooperierten (amerika21 berichtete hier und hier).

Die Zusammenarbeit zwischen Militär, Polizei und paramilitärischen Drogenstrukturen ist nicht neu. 2012 hatte der Polizeigeneral und Sicherheitschef des Ex-Präsidenten Álvaro Uribe, Mauricio Santoyo, zugegeben, mit den Selbstverteidigungsgruppen Kolumbiens (Autodefensas Unidas de Colombia, AUC) kooperiert zu haben. Santoyo ist damals wegen Drogenhandesl in die USA ausgeliefert worden.

Auch der inhaftierte Chef des Clan del Golfo und Paramilitär Darío Antonio Úsuga, als "Otoniel" bekannt, gestand eine enge Allianz mit Generälen des Militärs. Überhaupt seien viele Offiziere auf der Gehaltliste der kriminellen Struktur.

Zapateiro warf Petro vor, er benutze seine parlamentarische Immunität, um "mit dem Tod unserer Soldaten Politik zu machen". Er habe keinen General beim Entgegennehmen von illegalem Geld gesehen, "Die Kolumbianer haben Sie gesehen, wie Sie Geld in einem Müllbeutel entgegennahmen", twitterte er.

Damit meinte Zapateiro ein Video, das zeigt, wie jemand Petro in Tüten verpacktes Bargeld überreicht. Im Jahr 2018 veröffentlichte es eine Senatorin der Regierungspartei, Centro Democrático (CD), und präsentierte es als Beweis für einen dubiosen Handel des Oppositionellen. In Wirklichkeit ging es um die legale Übergabe von Geldmitteln für die Wahlkampagne des linken Politikers zum Senat im Jahr 2005, wie der Oberste Gerichtshof bestätigte.

Laut vielen Politiker:innen und Rechtsexperten verstieß Zapateiro mit seiner Intervention gegen die Verfassung: Artikel 219 besagt, dass Angehörige der Streitkräfte weder wählen noch "in Aktivitäten oder Debatten der politischen Parteien oder Bewegungen eingreifen" dürfen.

Trotzdem verteidigte Präsident Iván Duque den Armeekommandanten. Seine Antwort sei legitim "gegenüber der Aggression" eines Senators. Dieser "soll nicht Politik machen, indem er das Militär mit Dreck bewirft", sagte Duque.

Auch der Hauptkontrahent Petros, der rechte Federico Gutiérrez, der in den Umfragen auf dem zweiten Platz liegt, solidarisierte sich mit Zapateiro. Es gebe Leute, "die unsere Streitkräfte verachten. Ich sende Ihnen ganz im Gegenteil meine volle Unterstützung, Solidarität und Dankbarkeit". Ähnlich reagierte der ultrarechte Ex-Präsident Álvaro Uribe: Die Militärs dürften in der Tat nicht politisch debattieren, aber sie hätten das Recht "ihre Ehre zu verteidigen".

Zu den zahlreichen öffentlichen Persönlichkeiten, die die Aussagen von Zapateiro ablehnten, gehören zwei Kontrahenten von Petro: Die Präsidentschaftskandidaten für die neoliberale politische Mitte Coalición Centro Esperanza (Koalition der Mitte und Hoffnung), Sergio Fajardo, und für die Liga de Gobernantes Anticorrupción (Bund der Regierenden gegen die Korruption), Rodolfo Hernández. "Die Worte des Generals Zapateiro sind inakzeptabel", sagte Fajardo.

Der neu gewählte Senator für den Pacto Histórico, Roy Barreras, zeigte Zapateiro an. 30 Tage vor den Wahlen würden die Anschuldigungen des Generals gegen den Kandidaten zu einer ernsten Gefahr für die Demokratie, so Barreras.

Der linke Senator Iván Cepeda merkte an, dass die Duldung von Zapateiros Angriffen den Weg zu einem möglichen Staatsstreich ebnen könnte, wenn Petro die Wahlen gewinnt. Immer mehr Stimmen werfen öffentlich die Frage auf, ob die Streitkräfte einen Sieg des oppositionellen Kandidaten nicht anerkennen würden, wenn sie ihn von vorneherein öffentlich diskreditieren.

Es ist nicht das erste Mal, dass Zapateiro für Aufruhr sorgt. Im Februar 2020 hat der General der Familie des Drogenbosses Jairo Velázquez, auch als "Popeye" bekannt, anlässlich seines Todes "unser tief empfundenes Beileid" ausgesprochen. "Popeye" war ein Killer von Pablo Escobar gewesen.

Darüber hinaus wies Zapateiro die Vorwürfe zurück, dass das Militär Ende März im Departamento Putumayo mehrere Zivilist:innen getötet und als bewaffnete Farc-Dissidenten präsentiert hätte. Trotz Beweisen von investigativen Journalist:innen stritt Zapateiro ab, dass die Opfer zivile Personen waren. Unter ihnen gab es eine schwangere Frau.

Dazu sagte der General: "Es ist nicht die erste Operation, bei der schwangere Frauen und minderjährige Kämpfer fallen. Die kriminelle Struktur hat Mitglieder, die die Organisationsarbeit verrichten und andere, die bei den Aktionen gegen die Truppen präsent sind".