Firmen in Kolumbien nötigen Angestellte, gegen Gustavo Petro zu stimmen

Unternehmen betreiben "Angstkampagne" gegen Kandidaten des Pacto Histórico. Einige werben für Petros rechten Hauptkontrahenten. Drohen mit Entlassungen

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Uribistischer Unternehmer über Mitarbeitende: "Wer für Petro stimmt, passe nicht ins Geschäftzkonzept und muss gehen"
Uribistischer Unternehmer über Mitarbeitende: "Wer für Petro stimmt, passe nicht ins Geschäftzkonzept und muss gehen"

Bogotá. Knapp anderthalb Wochen vor der Präsidentschaftswahl verschärft sich die "Schmutzkampagne" gegen den linken und aussichtsreichsten Kandidaten Gustavo Petro und die Vizepräsidentschaftskandidatin Francia Márquez. Zuletzt haben unabhängige Medien und Nutzer:innen der sozialen Netzwerke angeprangert, dass Unternehmen ihre Angestellten, Kund:innen und Lieferant:innen dazu anregen – teilweise unter Drohungen – nicht für Petro, sondern für seinen Hauptkontrahenten, den rechten Federico Gutiérrez zu stimmen. Ein solches Vorgehen ist in Kolumbien illegal.

Einer der prominentesten dieser Fälle ist der der Molkereikooperative Colanta. In einer Mail an ihre Zulieferer und Käuferfirmen appellierte sie an deren "gesunden Menschenverstand" und regte sie unter anderem dazu an, "in einem Überlebensakt" für "die Ordnung", das "private Eigentum", die "freie Wirtschaft" und die "Achtung und den Schutz der Rentenfonds" zu stimmen.

Zwar nennt der Aufruf Colantas Petro nicht direkt, bezieht sich aber auf die Fehlinformationen, die die Gegenkampagne verbreitet: Dass Petro das Privateigentum abschaffen, alle Geschäfte enteignen und das Guthaben der Mitglieder der privaten Rentenfonds auflösen will.

Dabei gehört zum Programm des progressiven Bündnisses Pacto Histórico, für das Petro kandidiert, unter anderem die Förderung mittelgroßer und kleiner Unternehmen. Eine auf Industrialisierung basierende private, produktive Ökonomie, soll die aktuell vorherrschende Rohstoffwirtschaft ersetzen. Die Ablösung des privaten Rentensystems, das heute in Kolumbien dominiert, durch ein gesetzliches ist ein weiterer Programmpunkt.

Überhaupt hat sich der Pacto Histórico eine Politik der "Veränderung" auf die Fahne geschrieben. Colanta regt aber dazu an, dass "Sie und Ihre Familie die Entwicklung des Landes und nicht die sogenannte Veränderung wählen, die nur ein Sprung ins Leere ohne Rückkehr darstellt". Die Molkereifirma warnt außerdem vor falschen Entscheidungen, die zum "Verschwinden" des Unternehmens und damit der "Zukunftschancen" der Mitarbeitenden führen kann.

Ähnliches twitterte der Unternehmer und Mitbegründer der rechten Partei Centro Democrático Sergio Araújo Castro. Er schrieb, er habe "volle Rechte" über seine Unternehmen: "Ein Mitarbeiter, der für Petro stimmt, passt nicht in mein Geschäftskonzept und muss einfach gehen". Mit dem Tweet wollte Araújo die Meinung zahlreicher Geschäftsleute widerspiegeln, sagte er in einem Interview.

Mehrere Politiker:innen wie Petro selbst oder die gewählte grüne Abgeordnete Cathy Juvinao prangerten an, dass die Aussage Araújos den Tatbestand der "Nötigung des Wählers" aufweist, der mit Freiheitsentzug von vier bis neun Jahren bestraft wird. Juvinao forderte die Staatsanwaltschaft auf, darauf zu reagieren.

Der linke Senator Iván Capeda teilte seinerseits mit: "Jemand sollte ein paar Unternehmern erklären, dass die Sklaverei abgeschafft wurde, dass niemand mehr den Körper und den Verstand seiner Mitarbeiter besitzt und dass diese nicht gezwungen werden können, so zu wählen, 'wie es der Chef oder der Vorarbeiter befiehlt'. Das ist heute ein Verbrechen."

Andere Betriebe wie das kolumbianische Bauunternehmen "Gerenciar" versuchen den Weg der Bestechung. Die Firma bot ihren Angestellten einen Restaurant-Gutschein für 20.000 Pesos (circa 5 Euro) an, wenn sie die Kundgebung des rechten Kandidaten Gutiérrez, auch als "Fico" bekannt, besuchten. Sie mussten ein Foto von sich bei der Veranstaltung als Beweis für ihre Anwesenheit an die Firma schicken. "Du wirst die Vorschläge von Fico aus ersten Hand kennenlernen und den Grund unserer Unterstützung verstehen", hieß es in der Einladung.

Für die Mitarbeitenden, die sich als Wahlbeobachter:innen von Gutiérrez Wahlkampagne engagieren, versprach Gerenciar 200.000 Pesos (circa 50 Euro), das heißt 20 Prozent des monatlichen Mindestlohns, und anderthalb freie Tage. Das Unternehmen erklärte in dem entsprechenden Kommuniqué: "Wir in Gerenciar verteidigen die Demokratie, weil wir an die freie Wirtschaft, den Unternehmergeist, die guten Chancen und die Freiheit glauben".

Die kolumbianische Lederwarenfirma "Cueros Vélez" soll ebenfalls ihre Angestellten versammelt haben, um sie dazu zu bringen, Gutiérrez zu wählen. Die Teilnehmer:innen wurden dort unterrichtet, dass Petro den Arbeitskräften ihre Rente wegnehmen will, um sie Leuten zu geben, die nicht arbeiteten.

Dozent:innen aus der Gemeinde Dos Quebradas im Departamento Risaralda haben Nötigungen durch den Dezernenten für Bildung, Leonardo Granada, angeprangert. Der Funktionär habe die Bildungsbeauftragten zu einer Versammlung bestellt, bei der er ihnen ihre Mobiltelefone abnehmen ließ. Granada soll ihnen befohlen haben, für Gutiérrez zu wählen, wenn sie die Verlängerung ihrer Verträge nicht aufs Spiel setzen wollten, so das Leitmedium La W.

Mittlerweile verbreiten Anhänger:innen des Pacto Histórico Strategien, damit ihre Wähler:innen ihre Jobs oder Aufträge nicht verlieren, wenn sie ihre Stimme nicht "Fico" geben wollen. "Wenn Ihre Firma sie zwingt, für Fico zu stimmen und ein Foto des angekreuzten Wahlzettels zu machen, tun Sie das, schießen sie das Foto, machen Sie den Wahlzettel ungültig, verlangen Sie einen neuen, achten Sie darauf, dass die Wahlhelfer den ungültigen Zettel zerstören und wählen Sie, wen sie wollen".

Der Pacto Histórico hat sogar ein Lied für die Leute, die ihre Stimme für Geld verkaufen. Darin heißt es: "Lege du sie zuerst rein, schnappe dir das Geld, aber wähle Petro".

Inzwischen zirkulieren Videoclips von realen Fußgänger:innen, die T-Shirts von Fico tragen, möglicherweise weil sie dazu genötigt wurden, aber "Petro" rufen.