Kolumbien / Soziales

Wer ist verantwortlich für den Tod von 52 Gefangenen in Kolumbien?

la_carcel_de_tulua_colombia.jpeg

Das Hochsicherheitsgefängnis von Tuluá
Das Hochsicherheitsgefängnis von Tuluá

Cali. Mindestens 52 Insassen des Gefängnisses von Tuluá im Departamento Valle del Cauca sind in den frühen Morgenstunden am Montag bei einem heftigen Feuer in einem mit 200 Gefangenen belegten Zellenblock ums Leben gekommen. Nach ersten Angaben forderte die Katastrophe auch 30 Verletzte. Tuluá liegt rund 50 Kilometer nördlich der Großstadt Cali.

Laut ersten Medienberichten soll das Feuer von Gefangenen verursacht worden sein, nachdem sie Matrazen in Brand gesetzt und ein Handgemenge angefangen hätten. In dessen Folge hätten einige einen Fluchtversuch gestartet. Die örtliche Feuerwehr brachte mit ihrem Einsatz den Brand unter Kontrolle. Nach ihren Angaben wurden etwa 50 Verletzte in örtliche Gesundheitszentren transportiert.

Bereits kurze Zeit nach den Ereignissen versammelten sich Familienangehörige und Menschenrechtsorganisationen vor dem Gefängnis, um Informationen über das Schicksal von Inhaftierten zu erhalten. Gegenüber amerika21 berichteten sie, dass die Familien der Opfer Übergriffe der Sondereinheit der Polizei, Esmad, erleiden mussten, während sie Aufklärung forderten. Namenslisten der Toten wurden stundenlang zurückgehalten. Angehörige wurden schikaniert. Einem Menschenrechtsanwalt wurde gedroht. Ein Anwalt wurde sogar für mehrere Stunden illegal von der Polizei festgenommen, weil er Übergriffe filmte.

Mehrere Menschenrechtsorganisationen zweifeln indes die Darstellung an, dass der Brand einem Fluchtversuch von Gefangenen dienen sollte. In einem Kommuniqué wiesen sie darauf hin, dass eines der Todesopfer der Tragödie der junge Jhonatan Sabogal ist, der in dem Gefängnis von Tuluá inhaftiert gewesen ist, weil er an den Protesten des Nationalen Streiks im Jahr 2021 teilgenommen hatte. Quellen von Amerika21 berichteten von Spannungen zwischen Gefangenen aus dem kriminellen Milieu und Inhaftierten aus der Protestbewegung, insbesondere Mitgliedern der Primeras Lineas.

Die Generalstaatsanwaltschaft hat eine Untersuchung eingeleitet, um festzustellen, ob Beamte "durch Handeln, Unterlassen oder Überschreiten ihrer Pflichten" für den Brand verantwortlich waren. Die Ermittler befragen dem Generalstaatsanwalt Francisco Barbosa zufolge Überlebende unter den Häftlingen, Angestellte der Haftanstalt und den Direktor. Außerdem überprüfen sie Bild- und Videomaterial der Überwachungskameras.

Nach Angaben der Strafvollzugsbehörden ist das Gefängnis der Gemeinde mit mehr als 1.200 Insassen zu etwa 17 Prozent überbelegt.

Die letzte Katastrophe im kolumbianischen Gefängnissystem von einem solchen Ausḿaß ereignete sich am 21. März 2020 im Gefängnis La Modelo in der Hauptstadt Bogotá. Inmitten von Protesten von Häftlingen, die angesichts der Covid-19-Pandemie bessere Sicherheitsmaßnahmen forderten, starben 24 Häftlinge durch den Polizeieinsatz und mehr als 100 wurden verletzt.