Straflos ins Grab: Mexikos Ex-Präsident Luis Echeverría ist tot

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Marsch im Jahr 2014 zum Gedenken an das Massaker von Tlatelolco. Der Hauptverantwortliche starb jetzt ungestraft. Auf dem Transparent sein Konterfei
Marsch im Jahr 2014 zum Gedenken an das Massaker von Tlatelolco. Der Hauptverantwortliche starb jetzt ungestraft. Auf dem Transparent sein Konterfei

Cuernavaca. Am 8. Juli 2022 ist Luis Echeverría Álvarez in Cuernavaca im mexikanischen Bundesstaat Morelos im Alter von 100 Jahren gestorben. Vor dem Obersten Gericht Mexikos des Völkermordes angeklagt, wurde er nie verurteilt, aber auch nicht freigesprochen. Nach zwei Jahren Hausarrest wurde das Verfahren im Juli 2006 wegen angeblicher Verjährung eingestellt.

Von 1970 bis 1976 war Luis Echeverría Präsident und zuvor Innenminister unter seinem Vorgänger Gustavo Díaz Ordaz. In letzterer Funktion war er hauptverantwortlich für das Massaker von Tlatelolco am 2. Oktober 1968, bei dem knapp zwei Wochen vor Beginn der Olympischen Sommerspiele die monatelangen Studentenproteste blutig unterdrückt wurden. Hunderte Studenten wurden während einer Kundgebung auf der Plaza de las Tres Culturas erschossen.

Seine Politik der brutalen Unterdrückung von Protesten und oppositionellen Kräften setzte er als Präsident fort. In seine Amtszeit fielen die als "Schmutziger Krieg" (Guerra sucio) bezeichnete Periode mit Tausenden von Ermordeten und Verschwundenen und ein weiteres, von der paramilitärischen Gruppe "Los Halcones" verübtes Massaker (El Halconazo) im Jahr 1971, dem fast 120 Studentinnen und Studenten zum Opfer fielen. Die "Halcones" (Falken) war eine verdeckt operierende Armeegruppe, die vom damaligen Geheimdienst (Dirección Federal de Seguridad) ausgebildet wurde und direkt der Regierung unterstellt war.

Statt dem für Ex-Präsidenten üblichen Staatsbegräbnis und einer offiziellen Zeremonie wurde Echeverría eine Demonstration vor dem Nationalpalast zuteil. Bei der vom Comité 68 organisierten Kundgebung forderten die Anwesenden "Weder Vergeben noch Vergessen“ und seine posthume Bestrafung.

Prominente mexikanische Menschenrechtsaktivist:innen schlossen sich den Forderungen nach Aufarbeitung dieser historischen Verbrechen an.

Der Direktor des Menschenrechtszentrums Tlachinollan, Abel Barrera, vertrat die Ansicht, dass "es ein günstiger Zeitpunkt ist, die historischen Ansprüche der Opfer anzusprechen und vor allem deutlich zu machen, dass die Verbrechen des Staatsterrorismus, die von Luis Echeverría zunächst als Innenminister und dann als Präsident verübt wurden", eine "äußerst bedenkliche Situation" darstellten.

Tita Radilla, Vizepräsidentin der Vereinigung der Angehörigen von Verhafteten und Verschwundenen und Opfern von Menschenrechtsverletzungen (Afadem) ‒ Tochter von Rosendo Radilla, der während der Amtszeit von Echeverría Álvarez verschwand ‒, bekräftigte, dass er "geschützt wurde. Wir haben die Generalstaatsanwaltschaft immer gebeten, ihn zu bestrafen. Wir haben ihn auf seine Verantwortung hingewiesen, aber es wurde nie etwas unternommen, um ihn zur Rechenschaft zu ziehen".

Octaviano Gervasio Serrano vom Kollektiv der Ehefrauen und Kinder der im Schmutzigen Krieg Verschwundenen und Vertriebenen in der Gemeinde Atoyac ‒ Sohn von Octaviano Gervasio Benítez, den das mexikanische Militär 1974 verschwinden ließ ‒ erklärte, dass "der Tod dieses Verbrechers ein Symbol der Straflosigkeit ist und eine internationale Schande für den mexikanischen Staat, der ihn für seine Verbrechen gegen die Menschheit nicht bestrafen wollte".