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In El Salvador greift Repression das Recht auf eine informierte Gesellschaft an

Regierung verfolgt Kontrolle der öffentlichen Meinung und beansprucht Erfolge bei der Eindämmung der Bandengewalt. Proteste gegen willkürliche Verhaftungen

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Der Ausnahmezustand und das Recht auf eine informierte Gesellschaft
Der Ausnahmezustand und das Recht auf eine informierte Gesellschaft

San Salvador. Neun Journalist:innen haben nach Angaben des Journalistendachverbandes Apes El Salvador wegen Repressalien gegen sie und ihre Familien verlassen. Der Beauftragte für Meinungsfreiheit bei der Interamerikanischen Menschenrechtskommission, Pedro Vaca, forderte die Regierung erneut auf, die Vorwürfe über den Einsatz der Spionagesoftware Pegasus zu untersuchen. "Die Verwendung invasiver Software beeinträchtigt nicht nur das Recht der betreffenden Person auf freie Meinungsäußerung, sondern auch das Recht auf eine informierte Gesellschaft", erklärte Vaca.

Der Bericht "Pressefreiheit und Zugang zu öffentlichen Informationen in El Salvador", der von der Universitären Beobachtungsstelle für Menschenrechte (OUDH) der Zentralamerikanischen Jesuitenuniversität (UCA) erstellt wurde, zeigt Verstöße und Schwierigkeiten auf, denen Journalisten im Jahr 2021 ausgesetzt waren: Angriffe, Spionage und Diskreditierung der journalistischen Arbeit.

Am 29. Juli 2022 entschied die Wirtschaftskommission des Parlaments auf Antrag der Regierung, das statistische Bundesamt aufzulösen. Die Dirección General de Estadísticas y Censos (Digestyc) war für die Planung, Erhebung, Zusammenstellung, Tabellierung, Analyse, Veröffentlichung und Verteilung der statistischen Daten und Volkszählungen in El Salvador zuständig. Erst vor wenigen Monaten hatte das Amt 44 Millionen US-Dollar für seine Modernisierung erhalten. Die Entscheidung zur Auflösung wurde innerhalb einer Stunde und ohne weitere Anhörung von Experten lediglich von Abgeordneten der Regierungspartei Nuevas Ideas getroffen.

Nach der Sommerpause soll das Plenum des Parlaments die Auflösung beschließen. Statistiken sollen zukünftig von der Zentralbank BCR erstellt werden. Kritiker befürchten, dass es dann umso schwieriger werden wird, verlässliche Daten über die Lebenssituation unterschiedlicher Gruppen im Land zu erhalten.

Menschenrechtsorganisationen aus El Salvador reichten inzwischen einen Bericht mit der Forderung auf Überprüfung der Situation bei der Arbeitsgruppe über willkürliche Verhaftungen beim UN-Hochkommissariat für Menschenrechte in Genf ein.

Ungeachtet der Anschuldigungen und des Verdachts auf willkürliche Verhaftungen während des Ausnahmezustands behauptet die Regierung, dass sie ihre erklärten Ziele, die Kriminalität einzudämmen und die Mordrate zu senken, erreicht habe. Die Regierung meldete "160 Tage ohne Morde". Das Land habe bis gestern 414 Tötungsdelikte verzeichnet, das seien 299 weniger als die 713 Tötungsdelikte im Vergleichszeitraum 2021, so die offiziellen Angaben.

Viele Angehörige von Personen, bei denen eine willkürliche Verhaftung angenommen wird, haben inzwischen Anträge auf Habeas Corpus beim Obersten Gerichtshof eingereicht, um wenigstens Informationen über die Gefangenen zu bekommen. Von den 649 Anträgen, die bei Gericht eingereicht wurden, sind noch immer 508 Fälle (73 Prozent) nicht entschieden. 20 Prozent der Anträge wurden abgelehnt, verschiedene formal beanstandet und nur zwei Prozent wurden für zulässig erklärt.

Schon am 19. Juli demonstrierten Hunderte von Angehörigen von verhafteten Personen und wollten einen Brief an Präsident Bukele übergeben. Eine junge Frau, die eine WhatsApp-Gruppe für die Protestierenden eingerichtet hatte und den Demonstrationszug anführte, floh anschließend aus dem Land, weil sie ihre Verhaftung befürchten musste. Sie wurde in den sozialen Medien als Mitglied einer Bande bezeichnet.

Repressive Maßnahmen nehmen derweil weiter zu. Seit dieser Woche werden die Personalausweise all derjenigen von Polizei und Militär kontrolliert, die in einem Bus fahren. Auch die Busfahrer werden einer Kontrolle aller Papiere, einschließlich Führerschein und Dokumente des Busunternehmens unterzogen. Das diene der Verhinderung von Straftaten in den Bussen, so die Begründung.

Bei Gedenkveranstaltungen am 30. Juli anlässlich eines Massakers an Student:innen im Jahr 1975 protestierten Hunderte gegen den Ausnahmezustand und gegen den Einsatz von Militär für Aufgaben der inneren Sicherheit. In San Vicente protestierten Einwohner der Gemeinden rund um ein geplantes Mega-Gefängnis gegen die schweren Schäden, die sowohl der Umwelt als auch dem sozialen Leben durch den Bau zugefügt würden.

Der Erzbischof von San Salvador erklärte, die Mehrheit der Salvadorianer:innen unterstützten die Maßnahmen der Regierung zur Bekämpfung der Kriminalität. Er äußerte sich am gleichen Tag, an dem Angehörige junger Männer, die bei Razzien festgenommen worden waren, versuchten, zum Präsidentenpalast zu marschieren, um ihre Freilassung zu fordern, da sie angeblich unschuldig seien. Die Polizei stoppte den Marsch, bevor er sein Ziel erreichte, indem sie Barrikaden errichtete.