Argentinien / Wirtschaft

Gegen die Krisen: Neuer "Superminister" für Wirtschaft in Argentinien

Wichtige Zustimmung durch Kirchner-Lager, Gewerkschaften und Gouverneure. Aufbruchsstimmung für Exportsektor?

massa_cristina.jpeg

Treffen mit Symbolcharakter zwischen Senatspräsidentin Kirchner und dem neuen Wirtschaftsminister Massa
Treffen mit Symbolcharakter zwischen Senatspräsidentin Kirchner und dem neuen Wirtschaftsminister Massa

Buenos Aires. Der bisherige Parlamentspräsident Sergio Massa hat am Mittwoch offiziell das neu gestaltete Amt des Ministers für Wirtschaft angetreten und erste umfassende Maßnahmen angekündigt. Er übernimmt damit nicht nur von seiner Kurzzeitvorgängerin Silvina Batakis (nun Präsidentin einer Bank) das Wirtschaftsministerium, sondern auch von Daniel Scioli das für Produktion und von Julían Domínguez Landwirtschaft. Mit der Maßnahme hofft Präsident Alberto Fernández auch den zunehmenden Spannungen innerhalb seiner Regierung, allen voran mit dem Lager um seine Vize-Präsidentin Cristina Fernández de Kirchner, entgegenwirken zu können.

So wurde im Vorfeld der Amtsübernahme durch Massa ein gemeinsames Foto von ihm und Kirchner in deren Büro mit großer Aufmerksamkeit zur Kenntnis genommen. Beobachter deuteten es als wohlwollendes Akzeptieren des personellen Wechsels durch die nach wie vor sehr einflussreiche Ex-Präsidentin.

Massa, der eine lange Vergangenheit mit dem sogenannten Kirchnerismus mit Höhen und Tiefen hat, soll der Regierung neue Stabilität verschaffen. Bei den Präsidentschaftswahlen 2015 war er gegen Mauricio Macri und den Kandidaten des Kirchnerismus, Daniel Scioli, angetreten - und unterlegen. Jetzt löst er auch diesen als Minister ab. Zuvor war er ab 2008 unter anderem Kabinettchef der damaligen Präsidentin Kirchner.

Massa wolle nun zunächst "Vertrauen wiederherstellen", wie er bereits im Vorfeld seiner Antrittspressekonferenz erklärt hatte. Bei dieser dankte er Präsident Fernández und seinen Kollegen vom Regierungsbündnis "Frente de Todos". Die bevorstehenden Herausforderungen seiner Arbeit seien "enorm", resultierend aus "vielen Problemen".

Die derzeitige globale Krisensituation könne allerdings auch zu einer Chance für Argentinien werden, insbesondere bei den Themen Landwirtschaft und Energiegewinnung sowie dem Bergbau. Massa ging explizit auf die Lithiumförderung und dessen Weiterverarbeitung ein. Aus der Zusammenarbeit mit Bolivien ergäben sich dabei besondere Chancen (amerika21 berichtete).

Aus dieser Komplexität heraus habe sich der Plan entwickelt, eine Art "Superministerium", wie von den Medien im Vorfeld bereits vielfach genannt, zu schaffen, um die Themen im Interesse Argentiniens gebündelt angehen zu können.

Massa erwähnte außerdem die Diskrepanz zwischen einer zuletzt kontinuierlich wachsenden Wirtschaftsleistung und dem immensen Misstrauen in die argentinische Währung. Er sprach ungeordnete Staatsausgaben, klaffende Lücken bei den staatlichen Investitionen und insbesondere eine "große Ungerechtigkeit" beim Vermögen und den Einkünften an. Vor allem die nach wie vor galoppierende Inflation gelte es zu bekämpfen.

Massa nannte folgende Schwerpunkte seiner Arbeit: Steuerpolitik, Aufrechterhaltung des Handelsbilanzüberschusses, Stärkung der Finanzreserven und eine grundsätzliche Entwicklung unter Einbeziehung der sozial Schwachen. Die hätten besonders unter den Preissteigerungen der letzten Wochen zu leiden.

Der neue Minister möchte die Rücklagen der Zentralbank stärken und so auch zukünftigen Abwertungen des Pesos entgegentreten. Die argentinische Währung hatte vor einigen Wochen massiv an Wert verloren, sich zuletzt aber wieder leicht gefangen und zugelegt.

Massa kündigte zudem eine Anhebung der Renten an. Um wieviel, das soll kommende Woche bekanntgegeben werden.

Außerdem plane er eine Haushaltsanpassung mit einem Defizit von nur 2,5 Prozentpunkten, gemessen am Bruttoinlandsprodukt. Dies wäre ganz im Sinne des Internationalen Währungsfonds (IWF). Erst vorvergangene Woche hatte es jedoch breite Proteste gegen die Sparmaßnahmen gegeben, die aus der Umsetzung des Deals mit dem IWF resultieren (amerika21 berichtete).

Dieser Deal steht auch exemplarisch für die breiten Risse, die durch das Regierungsbündnis zu gehen scheinen. Seit Monaten schwelte ein teils offen ausgetragener Konflikt zwischen dem pragmatischen Präsidenten Fernández und Massas Vorgänger als Wirtschaftsminister, Martin Guzmán, sowie dem Lager des "alten" Kirchnerismus um die heutige Vize-Präsidentin und Senatspräsidentin Fernández de Kirchner, ihren einflussreichen Sohn Máximo und die Jugendbewegung La Cámpora.

Die Ernennung Massas fand auch breiten Rückhalt bei einem Großteil der Gouverneure der Provinzen, die sich im Vorfeld mit dem Präsidenten getroffen und ihre Interessen und Sorgen hinterlegt hatten. Auch von Seiten wichtiger Gewerkschaften gab es Unterstützung.

Rückenwind gibt es außerdem durch Exporteinnahmen und Aussichten in die Zukunft: der wichtige Agrarsektor verzeichnete zuletzt Rekordeinnahmen in US-Dollar im Jahresvergleich. Auch der Energiesektor kam auf Rekordeinnahmen seit Beginn des Jahres und dem Beginn des Krieges in der Ukraine. Zudem wird bis zum Jahr 2026 mit einem Anstieg der Einnahmen aus dem Bergbau um 200 Prozent gerechnet.

Die erste Reise soll den neuen Minister in wenigen Wochen nach Washington zu IWF und Weltbank, zum Pariser Club in die französische Hauptstadt sowie nach Katar bringen. Eine Reise ganz im Zeichen von frischem Geld und Auslandsschulden.

Massas Nachfolgerin im Amt der Parlamentspräsidentin wird Cecilia Moreau.